Erzieher fordern: Schluss mit den Hungerlöhnen!

Berufseinsteiger verdienen bei der Stadt Nürnberg gerade einmal 1250 Euro netto im Monat – und brauchen häufig Nebenjobs.
von  Abendzeitung
Cüneyt Uslurak (links) und Beate Ittner lieben ihre Arbeit mit Kindern. Doch sie möchten dafür auch so gut bezahlt werden, dass sie davon leben können.
Cüneyt Uslurak (links) und Beate Ittner lieben ihre Arbeit mit Kindern. Doch sie möchten dafür auch so gut bezahlt werden, dass sie davon leben können. © bayernpress.com

Berufseinsteiger verdienen bei der Stadt Nürnberg gerade einmal 1250 Euro netto im Monat – und brauchen häufig Nebenjobs.

NÜRNBERG Sie hat eine fünfjährige Ausbildung hinter sich. Sie kümmert sich um das Wertvollste, das Familien haben – Kinder. Und trotzdem braucht Beate Ittner (33) einen Nebenjob, um gut leben zu können. Ihr Gehalt als Erzieherin in einem Nürnberger Hort reicht dazu nicht aus. 2100 Euro brutto verdient die ledige 33-Jährige (13 Jahre Berufserfahrung) im Monat. Ein Hungerlohn. „Unterm Strich komme ich auf 1250 Euro netto“, rechnet sie vor. „Wenn ich 65 Jahre alt bin und bis dahin nicht heirate, habe ich gerademal 1400 Euro!“

Deshalb ist sie froh, einen Nebenjob bei einer Werbeagentur gefunden zu haben. „Jetzt kann ich mir auch mal ein schönes Oberteil leisten oder mal zum Essen gehen!“

Das ist kein Einzelfall. Die Gewerkschaft Ver.di macht derzeit mit einem Aktionsprogramm (Motto: „Soziale Berufe sind Mehrwert“) auf die schlechte Lage der 1750 Mitarbeiter im Sozial- und Erziehungsdienst bei der Stadt Nürnberg aufmerksam. „Sie leisten einen ganz wichtigen Dienst. Die Anforderungen und Belastungen sind in diesem Bereich in der letzten Jahren enorm gestiegen“, so Ver.di-Bezirks-Chef Jürgen Göppner. Nicht jedoch die Einkommen. „Wir fordern eine bessere Bezahlung für unsere Kollegen – auch als Zeichen dafür, dass die Gesellschaft ihre Leistungen anerkennt.“

OB Maly will ein volkswirtschaftliches Gutachten in Auftrag geben

350 Euro mehr für Berufseinsteiger will Ver.di. Derzeit verhandelt die Gewerkschaft mit den kommunalen Arbeitgebern über ein neues Eingruppierungssystem. Wenn sich die nicht bewegen, will Göppner Arbeitskampfmaßnahmen nicht ausschließen

Cüneyt Uslurak (26) wäre bei einem Streik dabei. Er ist einer der wenigen Erzieher in Nürnberg. „Dabei ist es für Kinder extrem wichtig, in der Einrichtung auch eine männliche Bezugsperson zu haben. Aber die Jobs sind so schlecht bezahlt, dass sich kaum einer für eine Ausbildung zum Erzieher entscheidet“, weiß Uslurak aus seinem Freundeskreis. „Bei denen bin ich eine arme Sau. Und das stimmt ja auch. Ich könnte mit meinem Gehalt keine Familie ernähren“

OB Ulrich Maly (SPD) kennt die Sorgen der Erzieher: „Der gesellschaftliche Wert ihrer Arbeit hinkt der Wirklichkeit hinterher.“ Deshalb will er ein volkswirtschaftliches Gutachten in Auftrag geben, das die Wertschöpfung der sozialen Arbeiter ermittelt – damit sie nicht als bloße Kostenverursacher gesehen werden. „Ihre Arbeit ist wichtig für das Zusammenleben in der Stadt.“ Und sollte deshalb auch entsprechend gut bezahlt werden.

Bisher lässt sich Nürnberg die Arbeit im Erziehungsdienst rund 76 Millionen Euro im Jahr kosten. Sollte sich Ver.di durchsetzen, wären es rund zehn Millionen Euro mehr. „Eine sinnvolle Investition in die Zukunft“, so Göppner.

Michael Reiner

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