Erstaunliche Blicke auf ein Selbstvermarktungsgenie

500 Jahre Dürer-Haus als Thema: Wie man als Künstler in Nürnberg überlebt und arbeitet.
von  Abendzeitung
Ausgangspunkt der diesjährigen Dürer-Pläne von Nürnbergs Kulturreferentin Julia Lehner (im Fenster): des Meisters Wohnhaus.
Ausgangspunkt der diesjährigen Dürer-Pläne von Nürnbergs Kulturreferentin Julia Lehner (im Fenster): des Meisters Wohnhaus. © Berny Meyer

NÜRNBERG - 500 Jahre Dürer-Haus als Thema: Wie man als Künstler in Nürnberg überlebt und arbeitet.

In der immerwährenden 500-Jahr-Feier mit Meisterwerken Albrecht Dürers klafft 2009 eine Anbetungslücke (2010 wäre der Graphik-Zyklus „Die große Passion“ eher ein Kandidat). Also wird kurzerhand die Brutstätte des Meisters zum Zentrum des diesjährigen Interesses erklärt. Am 14. Juni 1509 kaufte das wohlhabende „Selbstvermarktungsgenie“ die heutige Wallfahrtstätte am Tiergärtnertorplatz für 275 Gulden. Eine stolze Summe, die mindestens 500 000 Euro entspricht. Denn ein Arzt verdiente damals 50 Gulden pro Jahr. Einerseits. Andererseits kassierte der geschäftstüchtige Dürer für einen Kupferstich mit Druckplatte und 200 Blättern schon 200 Gulden.

Das Kaufdatum bildet auch den Auftakt für ein Angebot, das nach dem Willen des neuen Direktors der städtischen Museen, Matthias Henkel, „erstaunliche Blicke zulassen“ will. „Auf modernen Bildschirmen“ sollen Architekten, Literaten, Künstler im Dürer-Haus eine „mediale Annäherung“ an „ein Universalgenie im 21. Jahrhundert“, auf die „Aura der Persönlichkeit“ (denn Originale gibt’s ja dort nicht), ermöglichen.

Das überwölbende Jahresmotto „Lebt und arbeitet in Nürnberg“ trifft auch auf die flankierenden Maßnahmen zu. Sechs Vorträge am 27. Juni über das Dürer-Haus (das unter dem Vorbesitzer Nürnbergs erste Sternwarte war) und seine Bewohner decken die Wissenschaft ab. Das Institut für moderne Kunst erstellt nach Wikipedia-Prinzip eine „Künstlerdatenbank“. Die „Stadt(ver)führungen (19. bis 21. Juni) blicken unter dem Dreiklang „Dürer – Künstler – Könner“ in 200 Ateliers. Performancemann Wolfgang May grüßt mit „Dürer ahoi“ und mobilem Baumhaus in Richtung Fachwerk-Original. Kunsthaus und Galerie Bernsteinzimmer untersuchen anhand von 18 Biographien (unter anderem Gerlinde Pistner, Susanne Bosch, Gisela Kleinlein, Jörg Obergfell und Stefan Saffer) die Überlebensbedingungen heute. Dass Nürnberg eine „Stadt der Künstler“ ist, wird von Kulturreferentin Julia Lehner hoffnungsvoll unterstellt. Der Beweis einer „Kunst-Stadt“ dürfte mit Blick auf die aktuelle Situation schon schwerer fallen. daer

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