Erschreckender Pflegereport für Bayern: "Versorgung funktioniert nicht wie gewünscht"

München - Es geschieht in Bayern monatlich tausendfach: Nach der Krankenhausbehandlung einer zumeist älteren Person wird festgestellt, dass sie in Zukunft auf ambulante oder gar stationäre Pflege angewiesen sein wird. Für die Angehörigen ist das ein Schock, dennoch müssen sie in kurzer Zeit einen Pflegedienst organisieren oder einen Pflegeplatz finden. Oft bleibt gar nichts anderes übrig, als den Patienten noch eine Weile im Krankenhaus zu lassen, obwohl dies aus medizinischer Sicht gar nicht sein müsste.
Die Situation bedeutet nicht nur Stress für die Angehörigen, sondern ist auch teuer für Krankenhaus und Krankenkasse, die sich häufig um die Kosten der "Fehlbelegung" streiten müssen, sagte Alfred Kindshofer, Landesgeschäftsführer der Barmer-Krankenkasse am Donnerstag in München.
Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer von nicht Pflegebedürftigen im Krankenhaus hat der jüngste Barmer-Pflegereport mit acht Tagen ermittelt. Wird jedoch erst im Rahmen der Behandlung klar, dass der Patient durch die Krankheit pflegebedürftig wird, liegt der Betreffende 13 Tage in der Klinik. Für die Krankenkasse ist klar: Die längere medizinisch nicht veranlasste Verweildauer ist ein Indiz für Versorgungslücken und nicht bedarfsgerechte Angebote. "Die Anschlussversorgung funktioniert nicht so schnell wie erwünscht", so der Barmer-Geschäftsführer.
Barmer-Pflegereport: Mehr Kurzzeitpflege in Bayern erforderlich
Etwa jeder vierte neue Pflegefall beginnt mit einem Krankenhausaufenthalt. Das summiere sich auf 3140 Fälle im Monat, so Kindshofer. Dazu kommen jährlich etwa 20.000 Krankenhausaufenthalte von Pflegebedürftigen, die vermeidbar wären, wenn die ambulante oder die Versorgung in Pflegeheimen besser passen würden. Dazu zählen etwa Pflegebedürftige mit Diabetes mellitus oder Herzinsuffizienz. Das sei nicht die Schuld der professionell Pflegenden, sagte Kindshofer.
Sie seien gesetzlich gehindert, in solchen Fällen medizinische Hilfe zu leisten, was dazu führe, dass sie den Rettungswagen für den Transport in die Klinik bestellten. Kindshofer und die Vorstandsvorsitzende des Medizinischen Dienstes (MD) Bayern Claudia Wöhler fordern eine lokale sektorenübergreifende Versorgung unter Einbeziehung von Kliniken, Arztpraxen, Pflegediensten, Apotheken, Physiotherapeuten und anderen Beteiligten im Gesundheitswesen. "Die Akteure müssen besser vernetzt und die Synergien besser genutzt werden", sagte Wöhler.
Außerdem fordert die Barmer einen Ausbau der Kurzzeitpflegeplätze. Die von 119 Einrichtungen derzeit angebotenen Kurzzeit-Pflegeplätze reichten nicht aus. Zudem sollten der digitale Datenaustausch zwischen Krankenhäusern und Pflegekassen über die Entlassung eines pflegebedürften Patienten verbessert werden. Die Barmer schätzt, dass die Zahl von heute 695.000 Pflegebedürftigen im Freistaat bis 2040 auf 869.000 und bis 2060 auf eine Million steigen wird.
Der neue Pflegefinder in Bayern
Noch eine Neuigkeit zum Thema Pflege gab es am Donnerstag: Eine neue Online-Suchmaschine namens "Pflegefinder" soll bayernweit den Zugang zu Pflegeangeboten erleichtern. Nach Angaben von Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU sind knapp 900 ambulante und stationäre Einrichtungen angebunden. Außerdem seien rund 200 Beratungsangebote auffindbar. So funktioniert's: Wenn Nutzer eine Postleitzahl oder einen Ortsnamen eingeben, werden Angebote in der Umgebung aufgelistet. Die angezeigten Pflegeeinrichtungen sind nach einem Ampelsystem gegliedert in die Kategorien "nicht verfügbar", "Verfügbarkeit auf Anfrage" und "verfügbar".
Mit den Anbietern, die als "verfügbar" gekennzeichnet sind, müssen die Interessenten direkt klären, ob sie dort einen Platz erhalten können. Der Sozialverband VdK sieht in der Online-Plattform "einen Anfang", der weiter ausgebaut werden müsse. Der VdK kritisiert, dass es auf Freiwilligkeit beruht, ob Einrichtungen Pflegeangebote melden. Auch die Angehörigen-Organisation "Wir pflegen" fordert eine Pflicht für Anbieter, offene Pflegeplätze in den "Pflegefinder" einzustellen. Außerdem könne eine Pflegebörse "die gravierenden Defizite bei der Pflegeinfrastruktur nicht kompensieren", betont der Verband "Wir pflegen".
Hier geht es zum Pflegefinder: www.stmgp.bayern.de