Erschlagene Bäuerin: War es vielleicht doch nur ein Unfall?

Baum-Experte entlastet den angeklagten Knecht Stefan E. (25). Kripo konnte die Tatwaffe nicht finden.
NÜRNBERG War es am Ende vielleicht doch nur ein tragischer Unfall, der eine reiche Bäuerin das Leben kostete? Ein Baumexperte hat gestern den vor dem Nürnberger Schwurgericht unter Mordanklage stehenden Knecht ein kleines Stück weit entlastet.
Stefan E. (25), ein schmächtiger Mann, der sein Gesicht hinter lang herabfallenden Haaren versteckt, blieb auch am zweiten Verhandlungstag stumm. Lediglich zum Auftakt des Indizienprozesses hatte er über seinen Anwalt Norman Jacob ganz allgemein erklären lassen, dass er am Tod seiner Arbeitgeberin Gerlinde G. (†50) keine Schuld trage. Vor seinen Augen sei sie bei Arbeiten im Wald von einem herunterfallenden Ast getroffen und tödlich verletzt worden (AZ berichtete).
Die Staatsanwaltschaft sieht das völlig anders. Sie geht davon aus, dass Stefan E. die Bäuerin mit einem schweren Werkzeug erschlagen hat, um sich deren Hof unter den Nagel zu reißen. Eine Tatwaffe, die zu den tödlichen Kopfverletzungen passen würde, konnte allerdings trotz mehrerer Durchsuchungsaktionen nicht gefunden werden.
Dafür wurde bei der Obduktion des Leichnams in der Kopfwunde ein Rindenstück entdeckt, das einem Baum am Tatort zugeordnet werden kann. Der Baumgutachter erklärte nun, dass er nicht ausschließen könne, dass das Rindenstück tatsächlich durch einen herabfallenden Ast in die Wunde gelangt sein könnte. Diese Aussage stützt die Unfall-Version des Angeklagten.
Selbst die Kriminalpolizei war sich nach dem Tod der Bäuerin nicht sicher, was wirklich geschah. Zwar waren die ersten Aussagen des Knechts nicht ganz frei von kleinen Widersprüchlichkeiten. Doch die Ermittlungen gegen ihn kamen erst nach der Obduktion richtig in Fahrt, erklärte gestern ein Polizeibeamter. Zwischen dem Tod von Gerlinde G. und der gerichtsmedizinischen Untersuchung lagen mehrere Tage, weil der Leichnam steinhart gefroren war und erst aufgetaut werden musste. Zum Tatzeitpunkt im Januar 2009 herrschten Temperaturen bis minus 20 Grad.
Der Prozess geht am Donnerstag weiter. hr