Erlanger Professor: So clever war Michael Jackson wirklich

Der MP3-Erfinder Karlheinz Brandenburg hatte den King of Pop auf seiner "Neverland"-Ranch besucht.
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Goldene Lüster, Statuen, verschnörkelte Sofas und verzierte Buchrücken: In diesem Raum auf der Neverland-Ranch traf Karlheinz Brandenburg den King of Pop.
abendzeitung 2 Goldene Lüster, Statuen, verschnörkelte Sofas und verzierte Buchrücken: In diesem Raum auf der Neverland-Ranch traf Karlheinz Brandenburg den King of Pop.
Gigantisches Trauer-Event in Los Angeles: Am Dienstag wurde Michael Jacksons goldener Sarg (rechts) aufgebahrt, Bruder Jermaine Jackson steht auf der Bühne vor einer riesigen Projektion des Stars.
dpa 2 Gigantisches Trauer-Event in Los Angeles: Am Dienstag wurde Michael Jacksons goldener Sarg (rechts) aufgebahrt, Bruder Jermaine Jackson steht auf der Bühne vor einer riesigen Projektion des Stars.

Der MP3-Erfinder Karlheinz Brandenburg hatte den King of Pop auf seiner "Neverland"-Ranch besucht.

ERLANGEN Der King of Pop war noch nicht unter der Erde, da schossen sie hoch wie die Pilze nach einem Spätsommerregen: diejenigen, die Michael Jackson gekannt haben wollen. Auf der ganzen Welt versuchen Wichtigtuer, vermeintliche oder tatsächliche Begegnungen als heiße Infos zu verkaufen. Nicht so Professor Karlheinz Brandenburg. Der bärtige 55-Jährige ist nicht der Typ fürs Boulevardeske. Dennoch hielt der Erlanger „einen Moment inne, als ich im Radio von Michael Jacksons Tod hörte", denn er hat ihn kennen gelernt. Auf Neverland im Oktober 2003. Es war ein Geschäftstermin.

Der 55-Jährige hat 1989 die Musikindustrie revolutioniert: In seiner Doktorarbeit am Erlanger Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen beschrieb er die grundlegende Techniken für MP3 – und damit die Möglichkeit, auf kleinen Geräten Musik für hunderte Stunden abzuspeichern.

Jacko war an einem neuen Sound-System interessiert

Gelassen und überlegt erzählt er von diesem Tag im Oktober 2003. Da ist Brandenburg wie noch heute Leiter des Fraunhofer-Instituts für Digitale Medientechnologie im thüringischen Ilmenau und hat längst ein anderes System entwickelt, von dem er sagt, es wird das Hörerlebnis ebenso verändern wie damals der Übergang von Mono zu Stereo. Iosono heißt das Rundum-Klangsystem, es läuft bereits in einem Kino in Hollywood, am Erlanger Fraunhofer-Institut und auch in Ilmenau.

Davon hörte Michael Jackson. Sein Management arrangierte einen Termin, der King of Pop wollte sich selbst überzeugen. So fuhr Brandenburg vor der riesigen Neverland-Ranch vor. „Ich muss gestehen, dass ich das ziemlich locker sah", so der Hobbymusiker, der gerne singt und als Jugendlicher beim Talentwettbewerb „Jugend musiziert" in einem Blockflötenquartett angetreten ist. „Aber ich habe nicht einmal eine CD von ihm. Allerdings dreh' ich das Radio auch nicht ab, wenn ein Song von ihm gespielt wird."

Am Tor musste er unterschreiben, alles, was er sieht und hört, geheim zu halten. Hausbedienstete warteten in der Ranch. „Die war voll mit unglaublichem Kitsch", er erinnert sich noch an viele Süßigkeitenstände, die er zwischen Heimkino, Tonstudio, Zoo und Freizeitpark entdeckt hat.

Als Geschenk hat ihm der Superstar ein Buch signiert

Die ersten Sekunden der Begegnung mit Michael Jackson waren „ganz normal", so normal, dass Brandenburg nicht mehr weiß, ob er dem Keime-Paranoiker die Hand geschüttelt hat oder nicht. „Er trug legere Kleidung, wirkte sehr vernünftig und vor allem geschäftstüchtig." Brandenburg hatte einen anderen Eindruck als den, der oft vermittelt wird: Hier stand keine lebensferne Marionette vor ihm, sondern ein Künstler, der interessiert an der Technik war, die seinen Sound auf der geplanten Welttournee am besten in Szene setzte. Das System Iosono begeisterte Jacko so sehr, dass er vorschlug, die Lautsprecher mit seinem Namenszug zu adeln. Brandenburg: „Das wäre schön gewesen", doch so weit, als dass man sich über den Preis dafür unterhalten hätte, kam es nicht. „Denn kurz darauf wurden erneut die Vorwürfe zur Pädophilie laut", erinnert sich Brandenburg. Der Kontakt brach ab, kein Management rechnete mehr damit, dass Michael Jackson jemals wieder Konzerte geben würde.

Brandenburg sind Eitelkeiten fremd. Auf die Frage, ob er sich ein Autogramm geben ließ, muss er überlegen. „Nein, aber ich bekam ein Buch, das hat er signiert." Und, natürlich, ärgern tut ihn die fehlende Autogrammkarte jetzt nicht. „Sicher ist sein Tod nicht völlig an mir vorbeigegangen. Aber der ganze Rummel, der gemacht wird, der ist mir fremd." Und auch der Rummel um ihn, der jetzt als unverdächtiger, weil bescheidener Zeitzeuge herhält, ist ihm verdächtig. „Es gibt doch andere Leute, die viel mehr mit ihm zu tun hatten." sw

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