Erfinder der BR-Radltour: Thomas "Toto" Gaitanides feiert 75. Geburtstag

München - "Eigentlich hab ich mit'm Radeln früher nix anfangen können", sagt "Toto" wie er von allen genannt wird, mit einem breiten Grinsen, "diese Strampelei war nicht meins." Er hat sich lieber mit einem Rudergerät fit gehalten. Trotzdem ist aus dem früheren BR-Moderator der "Pate des Radelns" geworden.
"Seine Begeisterung war ein Geschenk!"
Und das kam so: Ende der 80er Jahre fiel Thomas Gaitanides ein buntes Magazin aus den USA in die Hände. Darin eine Reportage über 8.000 Radfahrer, die nach ihrer Tour durch Iowa ihre Fahrräder vor lauter Glück in den Mississippi warfen. "Diese Story hat mich sofort fasziniert!", erzählt Toto, der an diesem Samstag 75 Jahre alt wird, noch heute mit Begeisterung. Gegen alle Widerstände inner- und außerhalb des BR boxt er seine Idee einer "Tour de Bavaria" durch.
Radfahren stand 1990 noch lange nicht auf der Agenda der Gesellschaft, Radler galten entweder als arme Schlucker oder verrückte Extremsportler. "Die haben alle nur mit dem Kopf geschüttelt und gesagt: Was willst du denn damit?!", sagt Gaitanides und grinst.
Beim Start der allerersten "Radltour" in Donauwörth wünscht ihm sein Intendant mit Zweifeln in der Stimme: "Na dann mal gute Fahrt!" und die Autofahrer auf der Strecke wissen nicht, wie sie mit dem Pulk aus 800 unverdrossenen, im quietschbunten Look der Neunziger gekleideten Pedaleure umgehen sollen. "Ich hab Blut und Wasser geschwitzt, dass nix passiert." Ist ja dann auch alles gutgegangen. Das Medien-Echo ist riesig, Bayern fragt sich: Was machen diese Radler da?
Plötzlich sitzen Politiker auf dem Drahtesel
Politiker werden hellhörig, wittern ihre Chance, sich in schlabbrigen Baumwoll-Trikotagen volkstümlich geben zu können und springen mit in den Sattel. Einer der beflissensten Radfahrer dieser Zeit ist Edmund Stoiber, damals als Innenminister zuständig fürs Radeln und sooft eine Kamera draufhält im Sattel sitzend. Radeln wird Chefsache.
Auch eine kleine, damals völlig unbekannte Lobbyisten-Truppe verdankt dem "Paten" ihren Aufstieg: Gaitanides nutzt die Expertise des ADFC, dieser gerät damit ins Scheinwerferlicht. Geschäftsführer Wolfgang Slama plant und organisiert die Strecke, andere ADFCler sind als Mechaniker, Ausschilderer oder Helfer on tour dabei.
"Toto und seine Begeisterung waren ein Geschenk für das Radfahren in Bayern", begeistert sich Armin Falkenhein, heute Ehren-, vor 33 Jahren Landesvorsitzender des Fahrradclubs. "Wir haben ihm viel zu verdanken."
"Ich saß immer vorne im Führungsfahrzeug der Polizei"
Radltourchef Toto radelt niemals mit: "Ich saß immer vorne im Führungsfahrzeug der Polizei," erzählt er, "das musste sein. Außerdem habe ich den Blick zurück auf das 1.000-Mann-Peloton genossen- die mussten strampeln, ich wurde gefahren!", sagt er heute und lacht.
23 Jahre lang hat er das so gehalten, erst nach seiner Pensionierung setzt sich Gaitanides mit 66 Jahren das erste Mal in den Sattel und absolviert eine komplette Radltour - 622 km von Kufstein über den Mittleren Ring in München bis nach Würzburg. "Eine echte Herausforderung!", gibt er zu, "manchmal musste ich wirklich kämpfen, aber im Ziel war ich ziemlich stolz auf mich…"

Seine Begeisterung, sein Durchhaltevermögen, seine manchmal unkonventionellen Ideen brachten das Thema Radfahren in die bayerische Öffentlichkeit. Politiker wie Innenminister Joachim Herrmann schätzten seinen Rat und räumten dem Bau von Radwegen immer mehr Platz und Geld ein: "Er hat die Menschen fürs Radfahren interessiert und manchmal auch damit infiziert, das war unheimlich wichtig!"
Auch Herrmann gehört längst zu den "Infizierten": Der Minister radelt gern zu Terminen und lässt im Freistaat immer mehr Fahrradpolizisten einsetzen.
Der "Vater der Radltour" hat sich neue Ziele gesucht und gefunden: Seit vielen Jahren "er-fährt" er europäische Länder mit dem Radl: "Im Sattel ist man näher dran an den Menschen, an deren Kultur, an den Landschaften," sagt Gaitanides, "das ist nicht nur sanfter, umweltfreundlicher und gesünder, sondern eindrücklicher."
"In meinem Alter darf ein Pedelec schon sein"
In Kroatien hat er für seine Reisen mit vielen Tausenden bayerischer Radler schon mehrere Auszeichnungen bekommen, in Albanien wird er genauso als "sanfter Eroberer aus Deutschland" gefeiert wie in Griechenland, Italien oder Spanien. Nach einer Radtour über die Galata-Brücke schreibt die Abendzeitung sogar: "Bayern-Radler legen Istanbul lahm!"

Auch im Freistaat ist der "Radl-Pate" schon von der Staatsregierung geehrt worden. Trotz seines inzwischen "gstandenen" Alters plant der ehemalige Rundfunkmoderator jedes Jahr neue Radreisen: "Im Mai erfahren wir die Inseln Süddalmatiens mit Motorseglern und E-Bikes, im September sind wir in Südfrankreich unterwegs, im Herbst radeln wir in Istrien."
Die Organisation beschäftigt den niemals radlosen Pensionär rund ums Jahr. Und inzwischen strampelt Thomas Gaitanides selbst mit. Immer. Er hat sich ein Pedelec gekauft: "In meinem Alter darf das schon sein, oder?"