Er sorgt dafür, dass unser Christkind nicht abstürzt!
Schutzengel auf der Empore: Zimmerer Reinhard Gärtner hat das Sicherungsseil seit 18 Jahren fest in der Hand.
NÜRNBERG „Naja, so neun, zehn Meter geht es da schon runter“, schätzt Reinhard Gärtner (44) mit einem Blick von der Empore der Frauenkirche auf das Pflaster des Hauptmarktes. Angst vor der Höhe hat er nicht. Schließlich bewahrt er das Christkind heute vor dem Absturz. Reinhard Gärtners starke Hände halten das Seil, mit dem das Christkind während des Prologs gesichert wird.
Gärtner ist ein alter Hase. Diesen besonderen Dienst macht er bereits seit 18 Jahren. Sein Kollege Karl Meyer (48) ist gar seit 22 Jahren dabei. Wobei Meyer nicht das Christkind sichert, sondern die beiden Engel, die neben ihm stehen. „Die muss ich dann immer ausrichten“, erklärt er. Er ist, wie sein Kollege Gärtner, Zimmerer der Stadt Nürnberg. Deshalb dürfen sie sich in der luftigen Höhe frei bewegen – und das Erscheinungsbild auf der Frauenkirche bestimmen.
Das „Ausrichten“ ist genau durchdacht – und Meyer in Fleisch und Blut übergegangen. „Erst stelle ich den rechten Engel auf seinen Platz, dann schraube ich ihn mit einem Karabinerhaken an die Wand“, erklärt er. Dann kommt das Christkind auf ein 30 Zentimeter-Podest – und muss, vom Vorhang versteckt, die Arme ausstrecken. Meyer stellt so sicher, dass es dabei nicht die Engel verdeckt. Dann schraubt er den linken Engel im richtigen Abstand an die Fassade der Kirche.
Dass die beiden Mitarbeiter die wahren Schutz-Engel hinter der Eröffnung des Christkindlesmarktes sind, weiß aber kaum jemand. „Wenn ich das jemanden erzähle, dann glaubt mir das keiner“, sagt Meyer und schmunzelt.
Die Zimmermänner wurden mit der Zeit zu echten Experten. Obwohl sie da nur „irgendwie reingeschlittert“ sind, betont Meyer. „In der Stellenausschreibung stand damals davon jedenfalls nix drin.“ Aber der Job macht ihm viel Spaß – in 22 Jahren erlebt man so einiges. „Einmal haben sie nach der Anprobe den Halte-Gurt im Opernhaus liegen lassen“, erzählt Meyer. „Und dann musste das Ding kurz vor dem Prolog mit einer Polizeieskorte samt Blaulicht geholt werden.“
Ein anderes Mal hatten die Kostümbildner bei einem neuen Kleid des Christkinds am Rücken den Schlitz für das Halteseil vergessen. „Da hab’ ich halt mein Messer gezückt und das Kleid hinten aufgeschlitzt. Da haben die Polizisten ganz schön gezuckt, als ich mit dem Messer hinter dem Christkind stand“, erzählt Meyer lachend. Seit diesem Erlebnis hat das Christkind-Ornat einen Klettverschluss für die Seil-Klappe.
Nur eines vermissen die beiden Männer hinter dem weltberühmten Wahrzeichen des Marktes: Einmal möchten sie den Prolog sehen. Von unten und von vorne, auf dem Hauptmarkt. Martin Mai
Mehr über den Nürnberger Christkindlesmarkt lesen Sie in der Print-Ausgabe Ihrer AZ am Freitag, 28. November.