Er sägte sich die Hand ab – Ärzte nähten sie wieder an

Körperteil hing nur noch an einem Hautfetzen. Dem ersten Mediziner sagte Adolf Scharf: „Schneiden Sie’s halt gleich ab – in acht Stunden OP schafften die Erlanger eine medizinische Sensation
von  Abendzeitung

Körperteil hing nur noch an einem Hautfetzen. Dem ersten Mediziner sagte Adolf Scharf: „Schneiden Sie’s halt gleich ab – in acht Stunden OP schafften die Erlanger eine medizinische Sensation

NÜRNBERG/ERLANGEN Noch etwas matt liegt Adolf Scharf in seinem Krankenbett. Die rechte Hand des Oberpfälzers ist dick eingewickelt. Aus dem Verband ragt ein Metallgestell. In wenigen Wochen wird der 73-Jährige sie wieder benutzen können. Dass das möglich wird, ist ein Wunder. Er hat es der Kunst der Erlanger Handchirurgen zu verdanken. Denn beim Sägen von Birkenstämmen hatte sich der Mann die Hand fast vollständig abgetrennt. Sie hing nur noch an einem kleinen Hautfetzen...

Das 70 Zentimeter lange Sägeblatt hatte Knochen, Sehnen, Muskeln, Adern und Nerven vollkommen gekappt. Trotz des schrecklichen Anblicks und der starken Schmerzen behielt Adolf Scharf die Nerven! Er hielt die Hand im Handschuh ganz fest und lief schnell die wenigen Meter ins Haus zu seiner Schwiegertochter. „Er hatte Angst zu verbluten. Deshalb sagte er ihr, sie solle den Arm abbinden“, schildert Professor Raymund Horch, Direktor der plastisch- und handchirurgischen Klinik des Universitätsklinikums Erlangen.

Erst in einem Jahr wird Adolf Scharf wieder Gefühl in seinen Fingerspitzen haben

Nur wenig später trafen die alarmierten Sanitäter am Unfallort ein. Ein Hubschrauber landete in dem kleinen Dorf in der Oberpfalz. „Ich habe zu dem Arzt gesagt: Schneiden Sie’s halt gleich ab“, erinnert sich der Schwerverletzte. Während die Ersthelfer die Hand steril verpackten und kühlten, bereitete in Erlangen Oberarzt Dr. Ulrich Kneser alles für die spektakuläre Operation vor. „Das ist wie in der Formel 1 beim Boxenstopp! Wenn bei uns der Hubschrauber landet, muss alles fertig sein. Jede Minute zählt“, erklärt Kneser. Denn menschliche Muskeln dürfen nur zwei Stunden lang ohne Sauerstoff sein. Dauert es länger, können sie sich nicht mehr richtig erholen.

Zunächst schraubten die Ärzte alle Knochen wieder zusammen, dann mussten die Operateure die Adern der Hand durch Beinvenen ersetzen sowie die zerrissenen Muskeln, Nerven und Sehnen unter dem Mikroskop flicken. Alles lief perfekt: Nach nur dreieinhalb Stunden floss das Blut wieder durch die kurz zuvor noch abgetrennte Hand. Insgesamt acht Stunden hatte es gedauert, um das Medizinwunder Wirklichkeit werden zu lassen.

Aber erst in einem Jahr wird Adolf Scharf wieder Gefühl in seinen Fingerspitzen spüren. Denn es dauert noch Wochen, bis die Nerven anfangen zu wachsen – um einen Millimeter pro Tag. Jetzt muss der Rentner sich erstmal noch von dem schweren Eingriff erholen.

Dass er seine Hand wirklich behalten kann, damit hatte der alleinstehende Mann eigentlich gar nicht gerechnet. Umso größer war die Freude, als er nach der langen Operation zum ersten Mal die Augen aufmachte. „Er hat seinen Arm angeschaut und dann nur gesagt: ,Vielen Dank!’“, erinnert sich Operateur Kneser. „So etwas habe ich auch noch nie erlebt.“

Andrea Uhrig

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