"Er ist immer der Manni geblieben": Webers Dorf vor der Wahl
Wildenberg (dpa/lby) - Kurz vor der Europawahl tourt der CSU-Politiker Manfred Weber quer über den Kontinent. Athen, Berlin, Zagreb, Rom, Brüssel - und zwischendurch, wann immer es geht: Wildenberg. Das Dorf im niederbayerischen Landkreis Kelheim ist das Refugium des 46-Jährigen, der nun EU-Kommissionspräsident werden könnte. Die 1300-Seelen-Gemeinde bereitet sich auf den Wahltag vor.
Im Gemeindesaal putzt eine Mitarbeiterin die Fenster. Hier will Weber am Sonntag seine Stimme abgeben. Bürgermeisterin Marion Schwenzl rechnet mit einem großen Medienandrang und überlegt, wo die Wahlurne platziert werden könnte, damit die Fotografen eine gute Sicht haben, wenn Weber seinen Umschlag einwirft. Das sei natürlich alles aufregend, sagt Schwenzl. Sie verfolge Webers Auftritte im Fernsehen. "Und wenn man ihn kennt und dann seinen Gesichtsausdruck sieht, kann man sich vorstellen, wie es ihm gerade geht. Da fühlt man mit."
Die Bürgermeisterin ist keine CSUlerin, sondern für eine freie Wählergruppierung angetreten, jedoch, so sagt sie: "Hier ist die Partei außen vor, hier geht es um die Person Manfred Weber." Sie kennt ihn seit Teenager-Tagen und ist stolz auf ihren berühmten Mitbürger. "Wildenberg ist sein Rückzugsort, da lassen wir ihn in Ruhe." Sie beschreibt den Politiker als "vollkommen authentisch". Sollte er tatsächlich zum EU-Kommissionspräsidenten gewählt werden, will ihm die Gemeinde einen Empfang ausrichten.
Auf der Straße sind kaum Menschen unterwegs an diesem trüben, wolkenverhangenen Tag. Das Dorf wächst, Einfamilienhäuser sind im Bau, es gibt noch eine Grundschule und einen Kindergarten, eine Bankfiliale, einen Metzger und einen Bäcker. Weber lebt hier mit seiner Frau, auch seine Eltern wohnen in Wildenberg. Der Ort liegt idyllisch im hügeligen, niederbayerischen Hopfenanbaugebiet - und in einem gewaltigen Funkloch. "Kein Netz", zeigt das Handy an.
"Ja, das stimmt", sagt der CSU-Ortsvorsitzende und stellvertretende Bürgermeister Winfried Roßbauer. Die Bürger hätten sich vor Jahren gegen einen Sendemasten entschieden. Er selbst wohne ganz oben im Ort, da gebe es glücklicherweise Empfang. Aber genau diese Abgeschiedenheit dürfte es sein, die Weber immer wieder in seine Heimat zieht. Hier ist er aufgewachsen, hier kennen ihn die Menschen quasi schon ewig. "Die Leute schätzen ihn sehr", sagt Roßbauer. Die kennen ihn als Kind, als Ministrant, als Gitarrist in seiner Band."
Mit den "Peanuts" rockte der Politiker einst auf Festen und Partys in der Umgebung. Eine der wenigen privaten Episoden aus Webers Leben, die bekannt sind. Sein Privatleben hütet er vor der Öffentlichkeit. Das zeigt sich auch im Salon von Friseurin Hannelore Huhn. Von ihr lassen sich die Webers seit Jahrzehnten die Haare schneiden. Als sie ein wenig von ihrem berühmten Kunden erzählt, geht die Tür auf und Papa Heinz Weber kommt herein. Er sprudelt regelrecht über vor Stolz, Aufregung und Freude angesichts der bevorstehenden Wahl. Ein Interview will er aber nicht geben, auch nicht fotografiert werden.
Während seiner Zeit als Abgeordneter in Brüssel sei Weber an den Wochenenden regelmäßig daheim gewesen, sagt die Friseurin. Dann sei er auch in ihren Salon gekommen. "Er ist einfach so, wie er immer schon war." Sie zieht aus einem Zeitschriftenstapel eine Illustrierte hervor und blättert. Dort steht ein Interview mit Weber samt Foto aus dessen Rockband-Zeiten. Aber schon damals habe er keine verrückten Frisurenwünsche gehabt, erzählt Huhn und schmunzelt.
Sie findet es gut, dass Weber in Debatten stets ausgeglichen und ruhig bleibe. "Er geht mit gesundem Menschenverstand an Themen heran und ist vielseitig interessiert." Webers ruhige, überlegte Art schätzt auch CSU-Mann Roßbauer. "Er ist ein Brückenbauer." Zu vermitteln und Kompromisse zu finden, das zeichne Weber aus. Die beiden betrieben einst gemeinsam ein Ingenieurbüro, bis Weber dann wegen seiner politischen Tätigkeit ausstieg. Nun steht er noch als lebensgroße Pappfigur in Roßbauers Büro.
Der 65-Jährige hatte Weber zur Jungen Union im Ort geholt, wie er erzählt. Schon als 14-Jähriger habe Weber politische Veranstaltungen besucht und kräftig mitdiskutiert. "Das war super." Später war Weber JU-Kreisvorsitzender. Damals habe die JU in Wildenberg 80 Mitglieder gehabt. "Wir waren echt aktiv." Auch Fußball-Turniere hätten sie organisiert. Ob Weber ein guter Fußballer war? "Nein, das war er nicht", sagt Roßbauer und lacht. Das sei aber auch nicht wichtig gewesen. "Das waren eher Gaudispiele."
Der Kontakt zwischen Weber und den Wildenbergern ist auch durch dessen Engagement in Brüssel nicht abgerissen, an den Wochenenden war er oft daheim. Sonntags sei Weber dann in die Kirche gegangen, erzählt Roßbauer. Das sei ihm wichtiger gewesen als auszuschlafen. "Und nach der Kirche hat man geratscht." Weber sei ihm ein echter Freund. "Der hebt nicht ab. Er ist immer der Manni geblieben."
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