Er hat den ekligsten Job Nürnbergs
Der Schädlingsbekämpfer Jürgen Gabel arbeitet mit trickreichen Fallen und ausgeklügelten Ködern. Seine Erfahrung: Es kann jeden treffen...
NÜRNBERG Sie stellen Sex-Köder für Schaben auf. Sie locken Mäuse und Motten in lautlose Fallen. „Dabei gehen wir ganz gezielt vor. Mit so wenig Wirkstoff wie möglich“, sagt Jürgen Gabel, Schädlingsbekämpfer bei der Fürther Firma RapidEx.
Von wegen Ghostbusters: Wer glaubt, dass Kammerjäger ständig mit Spezial-Schutzanzug und Turbo-Giftspritze angriffslustige Monster-Insekten auslöschen, liegt falsch. „Zu 90 Prozent bin ich mit T-Shirt im Einsatz“, sagt Gabler. „Der Großteil unserer Aufträge ist Prophylaxe: Wir nehmen uns Gebäude vor, bevor es überhaupt akut wird.“
Statt robusten Kraftprotzen sind kluge Köpfe gefragt, die beim Kampf gegen nervende Nager Ursachen ermitteln. Was zieht die Mäuse an? Woher kommen sie? Diesen Fragen gehen die Schädlingsbekämpfer auf den Grund – im wahrsten Sinne des Wortes.
Doch nicht nur Kanalisation, Keller oder heruntergekommene Hinterhöfe zieht Ungeziefer an, so Ibrahim Kicin. Der gelernte Gastronom jagt wie Kollege Gabler seit zehn Jahren Schädlinge: „Im Prinzip kann es jeden treffen.“ Abfälle und Essensreste sind für Mäuse oder Ratten ein gefundenes Fressen – egal ob sie in der Müllverbrennung oder Millionärsvillen liegen.
Nagerjagd, Wespennest-Umsiedelung, Taubenabwehr
Selbst in Museen knabbern Krabbeltiere an Resten der Besucher-Brotzeiten. Und an Kunstschätzen, die manchmal sogar als Behausung dienen. Denn Nager nisten sich genauso wie Wespen- und Hornissenschwärme gerne mal in Hohlräumen ein. Daher nehmen Schädlingsbekämpfer gleich bei der ersten Inspektion Bau- und Lagepläne des Gebäudes unter die Lupe. Ihr Ziel: Gefahrenquellen und Löcher aufdecken. „Gleichzeitig stellen wir Insekten-Detektoren wie Pheromon-Fallen auf“, sagt Kicin. In der Sex-Falle bleiben die angelockten Tiere dann kleben. Daraus ermitteln die Kammerjäger die Größe der Völker.
Aber nicht nur der Duft des anderen Geschlechts wird Mini-Biestern zum Verhängnis, sondern auch als Körner, Pasten und Wachsblöcke getarnte „chemische Waffen“. Wenn Ratten oder Mäuse über die knallbunten Köder voller Fett und Futter herfallen, ist das ihr Todesurteil. Beigemischte Blutgerinnungshemmer – ähnliche Präparate setzen Mediziner bei Herzinfarktpatienten ein – lassen die relativ kleinen Nager-Körper innerlich verbluten.
Um Menschen und vor allem Haustiere zu schützen, sind die Rattengifte wie Schätze im Tresor gesichert. „Die fast unzerstörbaren Köderstationen haben nur Mini-Öffnungen, die gerade groß genug für Nager sind“, erklären die Ungeziefer-Vernichter. Sollte trotz aller Vorkehrungen ein Mensch ein Stück erwischen, übergibt er sich sofort. „Den Ködern sind starke Bitterstoffe beigemischt – nur die schmecken die Nager nicht."
Die Zeiten großflächiger Ausräucherungen sind zwar vorbei. Doch ganz ohne Giftspritzen geht es nicht. Daher setzen sich Schädlingsbekämpfer in ihrer Ausbildung mit Toxikologie, Tierschutz und Gefahrenstoff-Verordnungen auseinander. Für das Gütesiegel IHK-geprüft sind außerdem Gerätetechnik sowie Mathe und Physik Pflichtstoffe. Längst gehört auch jede Menge Papierkram – wie Lageplan, Listen erstellen und überprüfen – zum Kammerjäger-Alltag. „Wir zeichnen den Schädlingsbefall bis ins Detail auf: Jede Maus und jede Falle taucht in der Dokumentation auf“, sagt Gabler. Strengere Vorschriften etwa in der Lebensmittelbranche bescheren seiner Firma „RapidEx“, deren Name übersetzt „Schnell weg“ bedeutet, neue Aufträge.
Nagerjagd, Wespennest-Umsiedelung, Taubenabwehr: die Arbeit ist sehr abwechslungsreich. „Der Blick hinter die Kulissen, in sonst verschlossene Keller und Küchen, den gibt es eben nur in diesem Job.“
Gleichzeitig wünschen sie sich mehr Offenheit über ihr oft verschwiegenes Tun: „In England ist Schädlingsbekämpfung ein Qualitätsmerkmal. Dort sieht man, was hier undenkbar wäre: An Geschäfts-Eingängen hängen Schilder: Heute wegen Schädlingsbekämpfung geschlossen.“ S. Schaller
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