Er hängt täglich in den Seilen
Michael Rühl (42) hat sein Hobby zum Beruf gemacht: Er klettert in Bäume, um sie zu stutzen oder zu fällen. Auch an der Kaiserburg sorgte der Nürnberger schon für Ordnung
NÜRNBERG Im Job hoch hinaus – das wollen viele. Dieser Mann kommt in seinem Beruf nahezu jeden Tag nach ganz oben: Seilkletterer Michael Rühl. Seit 15 Jahren liegt der Arbeitsplatz des Baumpflegers 20 bis 40 Meter über dem Boden. Spiderman und Tarzan lassen grüßen. „Wir stutzen, schneiden oder fällen Bäume“, fasst Rühl seinen Alltag zusammen. An einem Seil gesichert, turnt der 42-jährige Nürnberger durch die höchsten Wipfel und Kronen – mit Hand- oder Motorsäge!
„Mit einer speziellen Hüftschwung-Technik steigen wir in die Spitze hinauf. Von dort arbeiten wir uns dann Ast für Ast nach unten“, erklärt der Baumpfleger. Dank Klettergurt, Karabinern und Seil-Sicherung birgt das tägliche Arbeits-Abenteuer in luftiger Höhe so gut wie keine Sturzgefahren für den Kletterer. Oft besteht dagegen die Herausforderung darin, die abgesägten Teile nach unten zu bekommen. „Wenn Äste über Dächern, Zäunen oder Gartenzwergen hängen, können wir sie nicht einfach fallen lassen. Da müssen wir sie vorsichtig ablassen“, so Rühl. Diese Spezial-Fällungen sind das Fachgebiet von Rühls Betrieb „Climb High Franken“ in der Vorderen Ledergasse.
Aber auch historische Bauwerke befreien die Kletterer von unerwünschtem Grün oder sie befestigen auf Dächern Drähte und Spannvorrichtungen zur Taubenabwehr. Sogar an der Nürnberger Kaiserburg hing Michael Rühl mit seinem Team schon in den Seilen: „Genau an der Stelle, wo Ritter Eppelein einst mit seinem Pferd über die Mauer gehüpft ist, haben wir das Gestein von Bewuchs befreit“, erinnert sich Rühl.
Auch der Einsatz in einem Naturdenkmal in Nordthüringen war für ihn unvergesslich. Selten gesehene Vierbeiner beäugten dort seine Arbeit auf 500 Jahre alten Pappeln. „Waschbären ließen uns nicht aus den Augen, als wir die Kronen der Baum-Riesen stutzten, in denen sie ihren Bau hatten“, sagt der Baumpfleger und schwärmt von der einmaligen Aussicht an seinem Wander-Arbeitsplatz.
Auf Teneriffa hat er den Club verewigt
280 bis 450 Euro bringt ein Tageseinsatz. Dafür kurvt das Nürnberger Baumpflege-Team oft durch ganz Deutschland. Dieser Job sei definitiv nichts für Menschen mit Höhenangst und Wunsch nach streng geregelten Arbeitszeiten. Abenteuerlust, Begeisterung für Natur und den Klettersport sind hingegen von Vorteil. „Mit guter Technik ist das Baumbesteigen aber gar nicht so kraftintensiv“, meint der Profi. Trotzdem bleibt die Arbeit ein Fitness-Training für Hände und Bauchmuskeln.
Ursprünglich hatte Rühl Schreiner und Bierbrauer gelernt. Als er vor 15 Jahren Arbeit suchte, stieß der 42-Jährige zufällig auf das Inserat „Baumpfleger gesucht“. Der passionierte Felskletterer ergriff die Gelegenheit und startete Hals über Kopf den luftigen Job. „Viel habe ich von Kollegen abgeschaut und gelernt“, so Rühl, der seit 2002 auch akkreditierter Ausbilder für Seilklettertechnik ist.
Wenn er sich also nicht für Auftraggeber durch Bäume schwingt und Äste absägt, schult der Nürnberger Lernwillige und gibt zum Beispiel Kletterkurse für Unternehmen. Zum Aufwärmen übt der Profi mit den Neulingen Lasso-Werfen in der Vertikalen: „An einer drei Millimeter dicken Schnur hängt ein Bleisäckchen, das die Teilnehmer hoch in die Äste werfen sollen“, erklärt Rühl. Nach dem Wurftraining folgen Übungen zu Klettertechnik und Sicherung. Erst dann geht’s in den Baum.
Hat einen das Kletter-Fieber erst einmal gepackt, gibt es kein Zurück: „Besonders Baumpfleger sind ein eigener Schlag von Menschen“, sagt Rühl, der selbst im Urlaub nicht mehr vom Klettern lassen kann. „Bei einer Pauschal-Reise nach Teneriffa hatte ich schon befürchtet, dass mir langweilig werden könnte.“ Also habe er für alle Fälle ein Kletterset eingepackt. Sportgurt, Schlingen, Seile und Karabiner kamen auch glatt zum Einsatz, erzählt Rühl: „Und in der 65-Meter hohen Baumspitze vor dem Hotel auf Teneriffa flattert seitdem eine Tüte vom 1. FCN.“ S. Schaller
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