Energiewende und Denkmalschutz: "Kann schon sein, dass nahe Linderhof ein Windrad entsteht"

München - AZ-Interview mit Thomas Goppel: Der 75-jährige aus Aschaffenburg ist Vorsitzender des bayerischen Landesdenkmalrats. Bis 2018 war er Mitglied des Landtags, von 1993 bis 2003CSU-Generalsekretär.
AZ: Herr Goppel, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hat angekündigt, den Denkmalschutz einzuschränken, um auch dort Anlagen der Erneuerbaren Energien installieren zu können. Was bedeutet das: Windräder bei Neuschwanstein oder Solarzellen auf der Würzburger Residenz?
THOMAS GOPPEL: Jein. Den Begriff "eingeschränkter Denkmalschutz" halte ich für überzeichnend. Aber dass sich der Denkmalschutz den Verhältnissen von heute anpassen muss, ist eine wichtige Aufgabe. Daran kommen wir nicht vorbei. Das haben wir mit dem neuen Wissenschaftsminister Blume schon besprochen. Aus der Sicht der Denkmalpflege können wir viel Hilfe leisten, wenn die Bereitschaft besteht, auf manche Bürokratie zu verzichten.

Denkmalschützer Goppel: "Mit gutem Willen allein kommt man nicht auf das nötige Tempo"
In Bayern gibt es Tausende von Baudenkmälern, für die strenge Regeln gelten. Welche sollen aufgeweicht werden?
Wir haben eine Reihe von Vorschriften, die bis jetzt nicht angetastet worden sind. Zum Beispiel die Frage, was machen wir mit Photovoltaik auf den der Gesellschaft gehörenden Gebäuden wie Museen, Theater und so weiter. Soll das alles ohne bleiben? Haben wir bei den Fenstern dieser Gebäude die entsprechende Isolation? Da muss nicht an der Denkmalpflege geschraubt, sondern die technischen Voraussetzungen müssen geschaffen und ergänzt werden.
Es gibt in Bayern herausragende weltweit bekannte Denkmäler wie die Königsschlösser und die Residenzen. Kann man da tatsächlich Photovoltaikanlagen draufsetzen?
Es muss nicht draufgesetzt werden. Wir haben ein gutes Beispiel in Bamberg, wo für eine Klosteranlage die Photovoltaik außerhalb der Stadt aufgestellt wird. Wenn man zum Beispiel das Schloss Herrenchiemsee nimmt, dann kann man in hundert Meter Abstand mit einer Photovoltaikfläche im Wald sicherstellen, dass der Energiebedarf für die Anlage erzeugt wird. Bei Bodendenkmälern ist sehr überlegenswert, photovoltaische Flächen darüber zu bauen. Dann können die Bodendenkmäler auch nicht mehr kaputtgemacht werden. Es gibt eine Reihe von technischen Ideen, die dazu überlegt werden müssen. Der Landesdenkmalrat wird dabei helfen.

"Die Kommunen dürfen wir nicht vergessen"
Gibt es schon einen Gesetzentwurf?
Nein. Aber die Staatsregierung will ein solches Gesetz, weil man mit dem guten Willen allein nicht auf das Ausbautempo kommt, das wir brauchen.
Viele nicht denkmalgeschützte Bauten im Eigentum des Freistaats sind häufig noch ohne solche Anlagen. Sollte man nicht erst einmal an die ran?
Viele Bauten des Freistaates sind ohne photovoltaische Anlagen. Richtig. Die Kommunen dürfen wir dabei nicht vergessen. Staatsminister Markus Blume hat versprochen, die gesetzlichen Überlegungen des Freistaates dazu ganz besonders zu durchdenken.
"Ich bin überzeugt, da wird vieles möglich werden"
Was ist mit Photovoltaikanlagen in Dachflächenfarbe?
Darüber muss man prüfend nachdenken und weiterkommen. Ich bin überzeugt, da wird vieles möglich werden.
Kulturbeflissene Menschen werden schon das Windrad hinter Schloss Linderhof vor dem geistigen Auge sehen. Kann so etwas passieren?
Das kommt auf die Entfernung an. Es kann schon sein, dass in der Nähe von Linderhof auch ein Windrad entsteht. Aber auf keinen Fall so, dass Windräder die Bedeutung der Gebäude verdrängen.
Aus Ihren Ausführungen ist zu entnehmen, dass der Landesdenkmalrat dem Vorhaben wenig oder nichts entgegensetzt?
Wir kommen schnell zusammen, denn das Kunstministerium ist aufgeschlossen. Auch der Landesgeneralkonservator Professor Pfeil hat gesagt, dass lediglich das kommunalpolitische Denkmalkonzept (KDK) ein Stück angepasst, ergänzt und ausgeweitet werden muss. Dann können wir an vielen Stellen tätig werden.