Endspurt zum Volksentscheid über blauen Dunst
MÜNCHEN - Raucher und Nichtraucher rüsten sich für den entscheidenden Tag. Am 4. Juli entscheidet Bayern als erstes Bundesland in einem Volksentscheid über ein ausnahmsloses Rauchverbot in Wirtshäusern und Bierzelten.
Rauchverbot ja oder nein – der Streit um den blauen Dunst umwölkt Bayern seit fast fünf Jahren. Jetzt endlich soll das Volk entscheiden. Am 4. Juli, eine Woche vor dem Fußball-WM- Finale in Südafrika, sind die Bayern an die Urnen gerufen, um über ein totales Rauchverbot ohne jede Ausnahme zu befinden. Doch nach dem Riesenwirbel um das Volksbegehren im vergangenen Jahr ist das Thema Rauchverbot praktisch von der Bildfläche verschwunden.
Gegner und Befürworter rühren die Werbetrommel, machen mit Veranstaltungen und Ständen mobil. Die vom Streit ums Rauchverbot traumatisierte CSU aber hält sich inzwischen aus der Debatte heraus und sagt gar nichts mehr zu dem Thema. Möglicherweise auch deswegen ist das Interesse sehr verhalten. Bis Mai wussten die allermeisten Bürger nicht einmal, dass es einen Volksentscheid gibt. Nach der großen Beteiligung beim Volksbegehren für das totale Rauchverbot, an dem sich im vergangenen Jahr 1,3 Millionen Menschen und damit weit mehr als die nötigen zehn Prozent der Wahlberechtigten beteiligten, haben viele Bürger derzeit andere Sorgen.
„Ich glaube, dass es sehr, sehr knapp wird“, sagt Sebastian Frankenberger (ödp), Sprecher des Aktionsbündnisses „Ja zum Nichtraucherschutz“. „Es gibt viel Rückenwind aus Bevölkerung – aber wir merken, dass überall auch die Gegenkampagne präsent ist.“
„Es geht schon lange nicht mehr ums Rauchen"
Doch auch die ist sich ihrer Sache nicht sicher. „Es wird sicherlich knapp“, meint Franz Bergmüller, Sprecher der Aktionsbündnisses „Bayern sagt Nein – für Freiheit und Toleranz“. Das zu drei Vierteln von Wirten und einem Viertel von der Tabakindustrie finanzierte Bündnis wirbt derzeit auf Volksfesten und beim Public Viewing. „Wir verteidigen das jetzige Gesetz. Es ist nicht daran gedacht, dass wir wieder überall rauchen lassen wollen“, betont Bergmüller. „Die meisten Gaststätten sind rauchfrei, damit sind die Familien geschützt.“ Und: „Es geht schon lange nicht mehr ums Rauchen - es geht um eine Bevormundung der Menschen.“
Das bundesweit strengste Rauchverbot hatte Anfang 2008 einen Aufschrei der Wirte ausgelöst. Es gehe gegen die bayerische Lebensart „leben und leben lassen“, hieß es. Gastronomen klagten über massive Umsatzeinbußen, Oktoberfestwirte warnten vor chaotischen Szenen in überfüllten Zelten. Das Regelwerk hatte nur kurz Bestand: Nach ihren Verlusten bei den Kommunalwahlen im März 2008 weichte die CSU das Gesetz auf und nahm Bierzelte vorläufig vom Rauchverbot aus.
Und bayernweit unternahmen die Behörden keinen ernsthaften Versuch, das Rauchverbot auch durchzusetzen. 2009 beschloss die neue CSU/FDP-Mehrheit im Landtag weitere Lockerungen mit dauernden Ausnahmen für Bierzelte, Nebenräume von Gaststätten und Diskotheken sowie für kleine Bierstuben. Das wiederum rief die Rauchgegner auf den Plan: Sie verlangen eine Rückkehr zum strikten Verbot.
Wenn die Nichtraucher mit ihrem Volksentscheid erfolgreich sind, würde das Rauchverbots-Gesetz wieder verschärft. Auch die derzeit geltenden Beschränkungen werden vielerorts nicht konsequent durchgesetzt – manche Wirtshäuser und Bars sind in dieser Hinsicht rechtsfreie Räume. Ein Wirt stellt einfach nach der Hauptessenszeit Aschenbecher auf, ein anderer lässt am Stammtisch rauchen, ein Disko- Betreiber drückt beide Augen zu.
„Jeder Wirt macht seine eigenen Gesetze“
„Jeder Wirt macht seine eigenen Gesetze“, warnt Siegfried Ermer, Vorstandsvorsitzender von Pro Rauchfrei. Und mit Blick auf den Volksentscheid: „Wir müssen die Leute wachrütteln, damit sie den letzten Schritt auch noch tun. Jetzt oder nie!“ Die Entscheidung in Bayern habe Auswirkungen auf ganz Deutschland.
Die Ordnungsbehörden schreiten bei Verstößen zwar ein, doch spezielle Kontrollen gibt es nicht. „Es wird keine sogenannte Raucherpolizei geben“, stellt die Sprecherin des Münchner Kreisverwaltungsreferats, Daniela Schlegel, auch für die Zukunft klar. Die Einhaltung der Gesetze werde von den Bezirksinspektionen bei Routinekontrollen überwacht. „Und wir reagieren natürlich auf Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern.“ Doch die kommen immer seltener: Die Zahl der Beschwerden sank von 40 im Januar auf 19 im Mai. „Man sieht doch deutlich, dass es sich reduziert hat“, sagt Schlegel. „Die Zahl der Ordnungswidrigkeitenverfahren ist proportional zu den Beschwerden gesunken. Vielleicht wirkt doch die Selbstkontrolle.“
Viele Gäste finden freilich nichts dabei, wie früher in Schwaden blauen Dunstes zu sitzen. „Es ist halt Kneipenatmosphäre“, meint ein Gast. Manche Besucher aus dem Ausland allerdings staunen, schließlich ist ihnen in der Heimat Rauchen schon lange tabu. „Wir machen das nie“, sagt Keith aus Australien. „Aber hier ist es wohl ein Stück Kultur.“
dpa