Endlich packt er aus!
NÜRNBERG Thomas J. will sein altes Leben zurück: Statt unter Palmen am Strand sitzt er zurzeit in einer kleinen Wohnung im Nürnberger Stadtteil Fischbach. Als selbstständiger Handelsvertreter versucht er, von dort Geld zu verdienen, damit er Deutschland schnell wieder verlassen kann – in Richtung Venezuela. Dort lebte er 20 Jahre, bevor er in seine Heimat zurückkehrte – und mit Komplizen zum Millionen-Betrüger wurde. Er tauchte unter, wurde gefasst und landete im Knast. Jetzt schreibt der 45-Jährige ein Buch über sein Leben. Und packt aus...
„Eine Million Euro in einem Tag – ein Betrug und die Folgen“ lautet der Titel des Werkes, in dem Thomas J. erzählt, wie und warum er zum Verbrecher wurde: „Damit es nicht so aussieht, als wolle ich mich reinwaschen, wird im zweiten Teil des Buches der Betrug von den Geschädigten beschrieben.“ Rückblick: 13 Männer und Frauen waren in den Deal verwickelt, der am 25. Juli 2007 über die Bühne ging. „Eigentlich wollten wir so nur unsere Schulden begleichen. Der Betrag wurde aber viel höher als geplant“, sagt der Nürnberger heute. Innerhalb weniger Stunden ergaunerte die Truppe eine Million mit dem Verkauf von Handys. Bis heute warten die sechs Geschädigten auf ihr Geld. Denn als die Polizei Thomas J. schnappte, konnte nichts sichergestellt werden. Schon nach wenigen Tagen waren die Beamten den Betrügern auf die Spur gekommen. Thomas J. war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in Deutschland, sondern in Venezuela. Dort vermittelte er schon früher Immobilien, verkaufte damals sogar Schauspiel-Star Heiner Lauterbach sein Privathaus.
„Ich will nur zurück nach Venezuela"
„Der Urlaub nach der Tat war schon länger geplant. Es war erst keine Flucht“, betont der Nürnberger. Doch zu der wurde es dann: Privatdetektive – angeheuert von den Gläubigern – waren hinter ihm her. Ebenso die venezolanische Kripo. Die spürte J. samt Freundin in einem Fischerdorf auf. Dem Gesuchten gelang die Flucht. Doch statt der Million fanden die Polizisten nur 5500 Euro. Nach eineinviertel Jahren kehrte Thomas J. nach Deutschland zurück – und mietete sich ausgerechnet bei einem Polizisten-Ehepaar ein. Er wurde verhaftet und nach einem Jahr U-Haft zu zwei Jahren und neun Monaten Gefängnis verurteilt. Seine Komplizen kamen bislang allesamt ungeschoren davon: Denn Thomas J. hatte im ganzen Prozess zu den Namen der Mittäter geschwiegen. Erst jetzt, nachdem ihm die Gläubiger drohten, packte er auch bei der Kripo aus.
Ein Geschäftspartner versteckt sich in Venezuela. Das Geld soll der angebliche Strippenzieher des Deals, ein türkischer Handy-Händler, behalten haben. Gegen ihn läuft derzeit noch ein anderes Verfahren. Der Betrug und die Folgen haben das Leben des Nürnbergers zerstört: Seine Frau trennte sich von ihm. Ehemalige „Freunde“ sagten gegen ihn aus. Und das Schlimmste: Er verlor sein Leben in der Karibik: „Ich will nur zurück. Ich fühle mich hier wie ein entwurzelter Baum.“ Nächste Woche werden die Zivilprozesse gegen einige Komplizen fortgesetzt – unter anderem auch gegen die Ex-Frau von Thomas J., dazu den angeblichen Initiator aus Altenfurt sowie einen Arzt aus Burgthann und eine Rechtsanwältin. Thomas J., dessen Strafe zur Bewährung ausgesetzt wurde, wird als Zeuge aussagen. Schweigen kann und will er jedenfalls nicht mehr: „Ich habe das Buch geschrieben, damit meine Kinder mal erfahren, wie es wirklich war.“ Selber erklären kann er es den beiden Mädchen und dem jüngsten Sohn nicht. Die Mutter will nicht, dass sie ihren Vater sehen.
Andrea Uhrig
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