Emeritierter Papst Benedikt XVI. ist tot: "Sein Vermächtnis wird weiterwirken"
München - Wegbegleiter, Vertreter beider Kirchen und Politiker haben sich nach dem Tod von Joseph Ratzinger zu Wort gemeldet, sein Lebenswerk gewürdigt, aber auch kritisch geäußert. Der emeritierte Papst Benedikt XVI. war am Samstag im Alter von 95 Jahren gestorben.
Kardinal Reinhard Marx verlieh seiner großen Trauer Ausdruck: "Benedikt XVI. war ein großer Papst, der sein Hirtenamt stets mit Freimut und starkem Glauben ausübte", sagte der Erzbischof von München und Freising. "Als Theologe prägte und prägt er die Kirche lange und nachhaltig."
Reinhard Marx: In Joseph Ratzinger vereinigten sich Intellektualität und Frömmigkeit
Benedikt XVI. sei dem Erzbistum München und Freising als Priester, Professor, Erzbischof, Kardinal oder Papst stets eng verbunden gewesen. "Die christliche Prägung Bayerns und die lebendigen Ausdrucksformen der Frömmigkeit zu fördern, war ihm stets ein wichtiges Anliegen."

In Joseph Ratzinger vereinten sich laut Marx Intellektualität und eine tiefe, ehrliche Frömmigkeit. "Dabei blieb er stets bescheiden und hat immer das Amt, nicht die Person in den Vordergrund gestellt." Es sei ihm nicht um Ansehen für seine Person oder die Erweiterung von Macht gegangen, sondern darum, die ihm von Gott übertragene Aufgabe bestmöglich und mit ganzer Kraft zu erfüllen.
Bedford-Strohm: Respekt vor Lebenswerk des früheren Papstes
"Wir sind ihm zutiefst dankbar für seinen jahrzehntelangen Einsatz, seine exzellente Theologie und sein beeindruckendes Lebens- und Glaubenszeugnis. Sein Vermächtnis wird weiterwirken."
Der evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm sprach Papst Franziskus und der katholischen Kirche seine "herzliche Anteilnahme" am Tod des emeritierten Papstes Benedikt XVI. aus. "Ich habe großen Respekt vor dem Lebenswerk des früheren Papstes. Ganz besonders vor seiner theologischen Gelehrsamkeit. Viele Bücher zeugen davon", teilte er am Samstag mit.
Benedikt habe sich immer um den ökumenischen Dialog bemüht und beim Zustandekommen der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre 1999 mit den lutherischen Kirchen eine wichtige Rolle gespielt. Jedoch, so Bedford-Strohm, falle die Bilanz bei der Ökumene gemischt aus.

Die Erklärung "Dominus Jesus", die der damalige Kardinal Ratzinger als Präfekt der Glaubenskongregation 2000 veröffentlicht habe, habe "Verletzungen hinterlassen, die nachgewirkt haben".
Denn: "Dort heißt es, die protestantischen Kirchen seien nicht 'Kirche im eigentlichen Sinne'. Die damit verbundene Vorstellung, dass die katholische Kirche die eigentliche Kirche ist und anderen Kirchen nur 'kirchliche Gemeinschaften', ist kein wirklich tragfähiges Konzept von Ökumene", schrieb der Landesbischof.
Stelle man die Begriffe Liebe und Wahrheit, die sowohl Benedikt als auch Franziskus besonders wichtig seien, nebeneinander, dann liege bei Benedikt die Betonung eher bei der Wahrheit und bei Franziskus bei der Liebe, so die Einschätzung Bedford-Strohms.
"Das ist etwa auch relevant für die Frage des gemeinsamen Abendmahls. Will man erst alle theologischen Lehrfragen abschließend klären, bevor ein gemeinsames Abendmahl möglich ist?" Oder fordere die Gemeinschaft, die Liebe, die Beziehung ein Voranschreiten? "Als Papst Franziskus einmal in der evangelischen Gemeinde in Rom nach Fortschritten beim gemeinsamen Abendmahl gefragt wurde, sagte er: "Sprecht mit dem Herrn und geht voran." Diesen Satz hätte Papst Benedikt so vermutlich nicht gesagt."
Söder ordnet dreitägige Trauerbeflaggung an
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ordnete nach dem Tod des emeritierten Papstes Benedikt XVI. eine dreitägige Trauerbeflaggung an. Sie gelte an allen staatlichen Dienstgebäuden im Freistaat von Samstag bis 2. Januar 2023, teilte die Staatskanzlei mit. Gemeinden, Landkreise und Bezirke sowie die übrigen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts seien gebeten, in gleicher Weise zu verfahren.
Bruni: Benedikt wünschte sich schlichte Trauerfeier
Der emeritierte Papst Benedikt XVI. hat sich vor seinem Tod für die eigene Trauerfeier eine schlichte Zeremonie gewünscht. Das sagte der Sprecher des Heiligen Stuhls, Matteo Bruni. Das Requiem auf dem Petersplatz am kommenden Donnerstag, 5. Januar, werde deshalb "feierlich, aber schlicht" sein. Der frühere Papst aus Deutschland habe explizit um Schlichtheit im Zusammenhang mit der Beisetzung und den dazugehörenden Ritualen gebeten.
Scholz: Papst Benedikt war "ein besonderer Kirchenführer"
Mit dem Tod des emeritierten Papstes Benedikt XVI. verliert die Welt nach den Worten von Bundeskanzler Olaf Scholz einen klugen Theologen. "Als "deutscher" Papst war Benedikt XVI. für viele nicht nur hierzulande ein besonderer Kirchenführer", schrieb der SPD-Politiker am Samstag auf Twitter. "Die Welt verliert eine prägende Figur der katholischen Kirche, eine streitbare Persönlichkeit und einen klugen Theologen. Meine Gedanken sind bei Papst Franziskus."

Meloni: Benedikt war "Gigant des Glaubens und der Vernunft"
Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni bezeichnete Benedikt XVI. nach dessen Tod als "Gigant des Glaubens und der Vernunft". Die Regierungschefin nannte den Deutschen "einen Mann aus Liebe zum Herrn, der sein Leben in den Dienst der Weltkirche gestellt hat und mit der geistigen, kulturellen und intellektuellen Tiefe seines Lehramtes zu den Herzen und Köpfen der Menschen gesprochen hat und weiterhin sprechen wird".
"Ein Christ, ein Pastor, ein Theologe: ein großer Mann, den die Geschichte nicht vergessen wird", schrieb sie in einer Mitteilung. "Ich habe dem Heiligen Vater Franziskus gegenüber zum Ausdruck gebracht, dass die Regierung und ich persönlich an seiner und der Trauer der gesamten Kirchengemeinschaft teilhaben."
Aigner: Landtag trauert um emeritierten Papst Benedikt
Mit tiefer Trauer nahm Bayerns Landtagspräsidentin Ilse Aigner die Nachricht vom Tod des emeritierten Papstes Benedikt XVI. auf. Benedikt XVI. sei eine der bedeutendsten Persönlichkeiten Bayerns, Deutschlands und weltweit gewesen. Über Jahrzehnte hinweg habe er "wie kaum ein Zweiter" die katholische Kirche und die römische Kurie geprägt, sagte sie laut Mitteilung.

Auch nach seinem Rücktritt sei er "als Buchautor und Theologe mit großem Weitblick bei den Menschen hochgeschätzt" gewesen. "Seinen Ideen und Analysen schenkten auch jene Beachtung, die ihnen nicht zustimmten", so Aigner.
Weiter schrieb die Landtagspräsidentin: "Als Benedikt XVI. erkannte, dass seine Kräfte nicht mehr reichten, legte er - als erster Papst seit 719 Jahren - sein Amt nieder. Diese mutige und historische Entscheidung spiegelte in besonderer Weise sein großes Verantwortungsbewusstsein wider."
Als Papst sei Benedikt ein Botschafter Bayerns in der Welt und seiner Heimat stets verbunden gewesen, sagte Aigner und erinnerte an ihren Besuch im Vatikan im Jahr 2012: Damals habe er sich unter anderem sehr dafür interessiert, wie es den bayerischen Bäuerinnen und Bauern geht. "Auch deshalb erfuhr er gerade bei uns in Bayern große Verehrung. Ich habe ihn als sehr warmherzigen Menschen empfunden. Die Begegnungen mit ihm werde ich in dankbarer Erinnerung behalten."
Woelki würdigt Benedikt als "tiefen geistlichen Denker"
Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki würdigte den verstorbenen Papst Benedikt XVI. als "tiefen geistlichen Denker". Seine Theologie habe ungezählte Menschen "in ihrem Glauben geprägt und bestärkt - genauso wie die Demut und der Mut, mit denen er all seine Ämter ausfüllte", sagte Woelki nach einer Mitteilung des Erzbistums. Dabei sei sein Lebensweg eng mit den großen kirchlichen Ereignissen der Zeit verknüpft gewesen. "Dabei prägte er die Kirche von heute auf prophetische Weise", so Woelki.

Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck bezeichnete Benedikt als "großen Theologen" und "Mann größten Wissens". Der Bischof von Münster, Felix Genn, teilte mit, Benedikt sei für seine theologische Entwicklung von größter Bedeutung gewesen. "Sicher wird auch die eine oder andere Seite seines Wirkens kritisch in den Blick genommen."
Leiter des Benedikt-Geburtshauses: "Güte ausgestrahlt"
Der theologische Leiter des Geburtshauses von Benedikt XVI. in Marktl am Inn, Franz Haringer, verwies auf die theologischen Leistungen und die tiefe Gläubigkeit des gestorbenen emeritierten Papstes. "Dankbar erinnern wir uns zurück an sein Wirken als Professor der Theologie, als Bischof, Kardinal und Papst", schrieb Haringer. "Auch in den Jahren nach seinem Rücktritt vom Petrusdienst hat er seine Gebete und sein Denken in den Dienst der Kirche gestellt." Nun sei sein langer irdischer Lebensweg zu Ende gegangen.
Bis zuletzt habe Benedikt XVI. Güte und Gelassenheit ausgestrahlt. Sein Leben sei vielfach anders verlaufen, als er es geplant hatte. "Doch der akademische Lehrer hat sich auch als Hirte in Dienst nehmen lassen."
In seinem Geburtshaus in Marktl am Inn bleibe es weiterhin die ehrenvolle Aufgabe, seinen Lebensweg und sein theologisches Vermächtnis zu bewahren, schrieb Haringer. "Ich bin überzeugt, dass sein Leben, Glauben und Denken für die Gläubigen wie für alle fragenden Menschen auch in Zukunft eine Vielzahl von Impulsen bereithält."
Gänswein nimmt Benedikt in Schutz: "War kein Papstautomat"
Der Privatsekretär des verstorbenen früheren Papstes Benedikt XVI., Erzbischof Georg Gänswein, verteidigt diesen gegen Kritik. Benedikt sei "kein gefühlloser Papstautomat" gewesen, schrieb Gänswein in einem Beitrag für die "Bild", der am Samstag wenige Stunden nach dem Tod des früheren Papstes veröffentlicht wurde. "Er war und blieb auch auf dem Thron Petri ganz und gar Mensch."
Mit seinem Rücktritt im Jahr 2013 habe Joseph Ratzinger "überaus kühn das Tor für einen neuen Abschnitt der Kirchengeschichte" geöffnet. Er habe "aus freiem Entschluss seinen Fischerring" abgelegt, seinen Namen als emeritierter Papst aber weiter getragen. Der Fischerring gehört zu den Insignien der Päpste.

Zugleich betonte Gänswein, dass dem früheren Papst der Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche sehr nahe gegangen sei. "Von seinen Reisen bleibt mir besonders die Begegnung mit Missbrauchsopfern auf Malta 2010 unvergessen. Der Papst hat still zugehört und die aufgewühlten Herzen der Betroffenen getröstet. Mehr als Worte vermochten seine bloße Präsenz und seine Tränen, die er nicht unterdrücken konnte", schrieb Gänswein. "Die Beschämung über das Geschehene führte zur Bekräftigung des Heiligen Vaters, alles zu tun, damit sich solche Fälle nicht wiederholen."
Der aus dem Schwarzwald stammende Gänswein wurde Anfang des Jahrtausends Assistent Ratzingers, der damals die Kongregation für die Glaubenslehre im Vatikan leitete. Nach der Wahl des Kardinals zum Papst wurde er Sekretär des Papstes. Auch nach dem Rücktritt Benedikts blieb der heute 66-Jährige an seiner Seite.
Schüller: Benedikt hat mit der modernen Welt gefremdelt
Papst Benedikt XVI. wird nach Überzeugung des Kirchenrechtlers Thomas Schüller vor allem durch seinen freiwilligen Rücktritt vom Papstamt 2013 in Erinnerung bleiben. "Damit hat er das Papstamt im guten Sinn entmystifiziert, menschlich wieder lebbar gemacht und seiner Kirche angesichts seiner abnehmenden Kräfte einen klugen Dienst erwiesen", sagte Schüller, Direktor des Instituts für Kanonisches Recht an der Universität Münster, der Deutschen Presse-Agentur.
Zudem habe Benedikt lange vor seiner Wahl zum Papst als Professor Joseph Ratzinger einige theologisch großartige Bücher geschrieben wie die "Einführung in das Christentum". Zudem habe er sich Verdienste als Berater des einflussreichen Kölner Kardinals Josef Frings beim Zweiten Vatikanischen Konzil von 1962 bis 1965 erworben. Dieses Konzil reformierte damals die katholische Kirche.
Schüller übte aber auch Kritik. Benedikts Theologie sei "sehr belastet gewesen von einer augustinisch-platonischen Sicht auf die Welt, mit der Ratzinger immer gefremdelt hat". Die Aufklärung und die neuzeitliche Hinwendung zu freien Gesellschaften habe er nie vollzogen und stattdessen für die Kirche das Programm der Weltflucht ausgerufen. Es sei deshalb unzutreffend, wenn ihn seine Fans als "Mozart der Theologie" bezeichneten.
Um sein kirchenpolitisches Wirken abschließend zu beurteilen, sei es jetzt noch zu früh. "Erst mit einem Abstand von mindestens 60 Jahren nach seinem Tod, wo auch erst die vatikanischen Archive geöffnet werden, wird man vor allem beim Thema Missbrauch sehen können, ob er als Erzbischof von München-Freising, dann als Präfekt der Glaubenskongregation und dann die wenigen Jahre als Papst tatsächlich das Thema Missbrauch tatkräftig angepackt und entsprechend dessen Bearbeitung möglich gemacht hat." Seit der Veröffentlichung des Münchener Gutachtens Anfang dieses Jahres seien berechtige Zweifel daran angebracht.
Bischof Oster über Benedikt XVI.: Großer Sohn unserer Heimat
Der Passauer Bischof Stefan Oster würdigte den gestorbenen emeritierten Papst Benedikt XVI. als "einen der größten und wichtigsten Theologen des 20. und 21. Jahrhunderts". Benedikt sei Zeitzeuge der Geschichte der Kirche der vergangenen Jahrzehnte und vor allem einer der letzten Zeitzeugen des II. Vatikanischen Konzils, das er entscheidend mitgeprägt habe. Oster bezeichnete Benedikt in einem am Samstag verbreiteten Nachruf als "großen Sohn unserer Heimat und unseres Bistums", er sei ein "Denker mit dem Herzen" gewesen.
Der emeritierte Papst habe auch immer wieder überrascht, so Bischof Oster, etwa "mit seinem Umgang mit eigenen Fehlern oder Fehleinschätzungen und den Wunden der Kirche, mit seiner Fähigkeit zum echten Dialog". Sein Rücktritt habe gezeigt, wie wenig er an der Macht gehangen habe und wie sehr ihm am guten Fortkommen der Kirche gelegen habe.
Zum Thema Missbrauch sagte Bischof Oster: "Wir verlieren einen Mann, der in den letzten Jahren seines Lebens noch sehen musste und auch eingestanden hat, als Erzbischof von München und Freising Betroffene von sexuellem Missbrauch in der Kirche zu wenig im Blick gehabt zu haben." Als Präfekt der Glaubenskongregation habe Benedikt aber entscheidend dazu beigetragen, "dass das Problem des Missbrauchs in der Kirche in seiner ganzen Dramatik erkannt wurde und der deshalb wesentliche Veränderungen angestoßen hat".
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