Elefanten auf dem Trapez

Tumult in der Justiz-Arena: David Mamets »Romanze« ist in Nürnberg ein lautstarker Jux und trampelt durch die Blütenträume der Correctness - mal mehr, mal weniger witzig.
von  Abendzeitung
Romanze vor Gericht: Stefan Lorch (li.), Heimo Essl und Pius Maria Cüppers, dahinter Frank Damerius (li.) und Rolf Kindermann. Foto: Berny Meyer
Romanze vor Gericht: Stefan Lorch (li.), Heimo Essl und Pius Maria Cüppers, dahinter Frank Damerius (li.) und Rolf Kindermann. Foto: Berny Meyer © az

Tumult in der Justiz-Arena: David Mamets »Romanze« ist in Nürnberg ein lautstarker Jux und trampelt durch die Blütenträume der Correctness - mal mehr, mal weniger witzig.

Euer Ehren hat einen Knall. Der US-Richter, der auf seinem hohen Stuhl auch mal ins Sternenbanner schneuzt, schluckt reichlich Artzney. Die erste Portion macht ihn dösig, die zweite wepsig – und dementsprechend wechselt die Stimmungslage im Saal, wo ein rätselhafter Fall mit durchgedrehten Anwälten, einem hysterischen Angeklagten und schrillem Überraschungsgast vor sich hin knattert. Der Amerikaner David Mamet, der schon ernstzunehmende Stücke („Oleanna“) und Drehbücher („Die Unbestechlichen“) schrieb, wollte in seiner lärmenden Groteske „Romanze“, bei der schon der Titel reiner Hohn ist, offensichtlich ausprobieren, was passiert, wenn das Mobbing zur Bühnenform veredelt wird. Die Deutschland-Premiere in den Nürnberger Kammerspielen, umraunt von Schock-Vermutungen und Provokationsgerüchten, gibt die Antwort: Gar nichts!

Durcheinander ist das oberste Gebot dieser halbwegs hemmungslosen Rempelei nach allen Seiten, die das Format einer Gerichtsverhandlung nach TV-Serien-Erfahrung zur Durchlauferhitzung für aufwärmbare Unverschämtheiten nutzt. „Bös-Art“ als Kunstform. Während der Vorsitzende noch Gutmenschelndes über die laufende Nahost-Friedenskonferenz sülzt, die soeben die Welt in Ordnung bringen soll, fallen vor Gericht fleischgewordene Vorurteile übereinander her. Juden und Christen, Schwule und Schwarze, Ignoranten und Wahnsinnige. War William Shakespeare Jude, oder „’ne Schwuchtel“, oder beides? „Der auf dem Lehrplan der Schulen steht“, fragt der allergiegebeutelte Richter entsetzt, während er sich abwechselnd an Kleenex-Tücher und sein Gerechtigkeitshämmerchen klammert.

David Mamet hat ein Watschenmännerballett organisiert, das – mal mehr und oft weniger witzig – quer durch die Blütenträume der Correctness trampelt. Ein großer Eimer voller Spott und Häme ist da zusammengerührt und der Autor läuft mit der Schöpfkelle hinter den eigenen Figuren her. Wenn dabei einer die Rauferei mit dem Ruf „Pursche“ begleitet, denkt der Zuschauer seufzend an die Monty Pythons.

Regisseur Klaus Kusenberg hat generell ein Kontroll-Verhältnis zu Mut und Übermut. Von beidem fehlt der Aufführung einiges, denn statt lapidarer Akrobatik mit ausgeflippter Wortgewalt erlebt man Randgruppendynamik mit „Nicht so gemeint“-Augenzwinkern. Die Trapeznummer wird zur Elefantenpatrouille – gewaltmarschmäßig von Haha nach Hoho und zurück.

Die laubgesägte Bühne von Florian Parbs, die hinter zwei Holzbarrikaden zwölf Geschworene zwischenlagert und mit Sägespänen in der Arena wohl verbale Verdauungsreste auffangen soll, verweist eher auf Flohzirkus. Und tatsächlich, nach und nach juckt’s den Zuschauer.

Sieben Schauspieler sind im Einsatz für die kreuz und quer wie Luftschlangen durch die Handlung geworfenen Dialoge. Keiner darf ausreden, alle fahren das große Komiker-Geschütz aus. Wobei es natürlich seinen exklusiv Nürnberger Reiz hat, wenn Danton und Mackie Messer aus dem Rest-Spielplan (Thomas Nunner und Heimo Essl) hier ein huchachtungsvolles Tunten-Duo kreischen, der Händchenhalten anordnende Richter von Frank Damerius in den Tabletten wühlt (kennen wir das nicht aus „Is was, Doc“?) und Stefan Lorch (Angeklagter und Chiropraktiker) mit Pius Maria Cüppers (Verteidiger) blitzenden Auges den nahöstlichen Weltfrieden durch kollektives Einrenken der Wirbelsäulen herstellen wollen.

„Das ist Quatsch mit Soße“, sagt Euer Ehren irgendwann trefflich. Für David Mamet und Klaus Kusenberg wäre dies ein Lob – aber man hört ja so viel von Justizirrtümern. Viel Heiterkeit, freundlicher Beifall. Dieter Stoll

Nächste Aufführungen: 3., 14., 19., 23.2., – Karten Tel. 0180-5-231600

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