Eiskalter Kampf gegen den Schlaganfall

Spektakuläre neue Methode im Kampf gegen den Infarkt im Kopf: An der Uni-Klinik Erlangen wird das Gehirn der Patienten in einen Winterschlaf versetzt
ERLANGEN Es klingt wie ein Wunder: Ein Mann erlitt einen Schlaganfall – und konnte schon nach einer Woche geheilt heim. Möglich wurde die medizinische Sensation durch einen relativ einfachen Eingriff: Der Patient wurde gekühlt, seine Körpertemperatur mit eiskalten Infusionen auf 35 Grad runtergefahren.
Nach 24 Stunden waren die schlimmsten Schlaganfallfolgen wie „weggefroren“. Die Methode wird in der neurologischen Klinik der Uni-Klinik Erlangen angewandt. Deshalb ist sie Mitbegründerin einer Studie, die die Erfolge der so genannten Hypothermie jetzt wissenschaftlich belegen soll.
Alle 90 Sekunden stirbt in Europa ein Mensch an den Folgen eines Schlaganfalls. Allein in der Erlanger Uni-Klinik kommen monatlich rund 100 Menschen mit dieser lebensgefährlichen Akut-Diagnose. Jede Minute zählt, denn bei diesen Patienten hat sich ein Gefäß im Hirn geschlossen, das dahinter liegende Gebiet wird nicht mehr ausreichend durchblutet. Jeder fünfte Betroffene stirbt daran, jeder zweite bleibt arbeitsunfähig.
Kälteballons regeln die Temperatur
Bislang wurden die Patienten meist mit einem Artzney behandelt, das das Blutgerinnsel auflöst, viel mehr konnte man nicht tun. Doch nicht bei jedem wirkt es. Jetzt soll Kälte helfen: Durch das medizinisch eingeleitete „Einfrieren“ des Gehirns wird dessen Sauerstoffverbrauch reduziert – und Folgeschäden vorgebeugt. „Die Kühlung ist die einzige Methode, die vor weiteren Schädigungen schützt", ist Dr. Rainer Kollmar, Leiter des experimentellen Schlaganfall-Labors, überzeugt.
Und so funktioniert es: Die Körpertemperatur der Patienten wird möglichst schnell von 37 Grad auf 34 oder 35 Grad runtergekühlt – zunächst mit Infusionen, später per Katheder. An diesem hängen Kälteballons, mit denen die Temperatur geregelt werden kann. „Eigentlich würde der Körper versuchen, durch wärme-erzeugendes Zittern seine Temperatur beibehalten“, erklärt Kollmar. Deshalb müssten dagegen Artzney gegeben werden. Nach 24 Stunden wird die Temperatur ganz langsam wieder erhöht,
Über Erfolg und Folgen der Behandlung werden über 80 Kliniken in Europa Buch führen. 1500 Patienten – Förderung durch die EU vorausgesetzt – werden behandelt: die eine Hälfte auf herkömmliche Weise, die andere zusätzlich mit Kälte. Koordiniert wird die Studie in Erlangen.
Bisher sind die Nebenwirkungen noch nicht klar. Möglich sind Lungenentzündungen – doch die lassen sich in aller Regel gut behandeln.
Andrea Uhrig