Einigkeit im Umgang mit dem Wolf? "Kein Landwirt will ein halbtotes Viech auf der Alm"

Es wirkt als seien sich die Landtagsabgeordneten beim Besuch in Berchtesgaden einig im Umgang mit dem Wolf in Bayern. Umweltverbände kritisieren derweil die geplanten Wolfsabschüsse.
von  Kilian Pfeiffer, ctt
Ein Wolf im Nationalpark Bayerischer Wald.
Ein Wolf im Nationalpark Bayerischer Wald. © Hans Kuczka/imago

Berchtesgaden - Der "LandTruck" des Bayerischen Landtags tourt gerade durch den Freistaat. Beim Halt in Berchtesgaden am Samstag steht ein Thema im Fokus: der Wolf. Hier herrscht beinahe Gleichklang unter den Landtagsabgeordneten: ja zur Entnahme, wenn es notwendig ist. Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) sagt: "Es würde das Gesicht Bayerns nicht geben, wenn wir dem Wolf freien Lauf lassen."

"LandTruck" des Bayerischen Landtags macht Halt in Berchtesgaden – Zentrales Thema: Wolf

Die Angelegenheit ist an diesem Tag gut platziert. In Berchtesgaden ist Urlaubszeit. Tausende Gäste sind zu Besuch. Die meisten sind am Königssee, auf den Bergen oder im Nationalpark unterwegs. Der "LandTruck" hat im Zentrum Berchtesgadens Halt gemacht. Dort hofft man auf viele Touristen als Zuhörer. Ihnen soll die Wolfsproblematik angesichts kleinstrukturierter Landwirtschaft näher gebracht werden. "Bürgernähe und Transparenz" will die Landespolitik vermitteln.

Der Aufwand, der dabei betrieben wird, ist enorm. Es gibt Fragerunden, ein Quiz für Ratefreudige, Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) lässt sich blicken. Doch nur wenige Zuhörer stehen beim "LandTruck", viele davon sind Gemeindepolitiker.

Als Redner sind Landtagsabgeordnete fast aller Parteien gekommen: Michael Koller (Freie Wähler; Berchtesgadener Land), Christiane Feichtmeier (SPD; Starnberg) und Andreas Winhart (AfD; Rosenheim). Michaela Kaniber, hat ein Heimspiel – sie ist Stimmkreisabgeordnete des Berchtesgadener Landes.

Interessant ist, wie das Wolfthema auf der offiziellen Landtagsseite angekündigt wird. Die Rede ist dabei von der "Entnahme des Wolfes im Nationalpark Berchtesgaden". Dort, wo Natur Natur bleiben sollte. Im moderierten Gespräch selbst ist vom Nationalpark keine Rede mehr.

Fakt ist: Eine offizielle Wolfssichtung hat es im Berchtesgadener Land schon seit längerem nicht mehr gegeben. Zuvor waren immer wieder Risse bekannt geworden, bei denen Landwirte etwa in Marktschellenberg oder in Ainring mehrere Nutztiere verloren hatten. Landwirte waren deshalb auf die Straße gegangen. Noch im vergangenen Jahr hatten Bauern beim Almauftrieb am Königssee gegen die Ausbreitung des Wolfes in der Region demonstriert.

In der Bayerischen Wolfsverordnung – seit April 2023 gültig – wird geregelt, wie man Wölfen nachstellen, diese fangen, vergrämen "oder mit einer geeigneten Schusswaffe" töten kann. "Diese Wolfsverordnung war wichtig", sagt Kaniber. Laut Gutachten sei der jährliche Wolfszuwachs in Deutschland mit 40 Prozent enorm. Dass der Schutzstatus in Europa noch immer so hoch ist, "das dürfte einfach nicht sein", sagt sie. Wohl zwei Jahre werde es noch dauern, bis dieser wegfalle. Die EU – Mühlen mahlen langsam.

In ihrem Ministerium habe sie mal eine Rechnung angestellt, was notwendig wäre, damit niemand mehr Angst vor dem Wolf haben muss: Über 57.000 Kilometer Zaun müssten in Bayern gebaut werden, um Weideflächen und die Tiere darauf vor dem Wolf zu schützen. Die Gotzenalm hoch über dem Königssee umfasst allein 64 Hektar Almweide. Ein Zaun drum rum und alles ist sicher? Kaniber sagt: Dann würde Bayern nicht mehr so aussehen, wie es das heute tut.

Bauern protestieren gegen die Rückkehr des Wolfes: "Wenn er da ist, regeln wir das selbst"

In den Reihen der Bauern gibt es sowieso kein Verständnis für eine Rückkehr des Wolfes in die Region. "Wenn er da ist, regeln wir das selbst", sagte kürzlich ein Landwirt am Rande einer Almbauernversammlung. Im benachbarten Salzburg war im vergangenen Jahr sogar ein Bär tot auf Gleisen gefunden worden. Zusammengefahren, wie es offiziell heißt. An so einen Zufall glaubt kaum einer.

Angst um das eigene Tier, Angst um den Tourismus. Kaniber sagt: "Wenn unsere Bauern ihre Almen nicht mehr bestoßen, wird es das Ende der Almwirtschaft sein." Der Landtagsabgeordnete der Freien Wähler Michael Koller sieht das ähnlich. Er sagt: "Wir müssen die Leute schützen, die den Wolf am Ende entnehmen." Tatsächlich ist die Wut von Naturschützern groß, die den Wolf durchaus hier beheimatet sehen und eine Parallelexistenz befürworten. Wer am Ende den Schuss auslöst, das soll nicht bekannt gemacht werden.

Der AfD – Politiker Andreas Winhart war mal jagdpolitischer Sprecher seiner Partei. "Wir wollen, dass man Wölfe abschießen kann", sagt der Landtagsabgeordnete. "Wo Nutztierhalter unter Druck geraten, sollten sie unbürokratisch handeln und genauso entschädigt werden." Einig mit ihm ist sich da auch SPD – Politikerin Christiane Feichtmeier: "Kein Landwirt will ein halbtotes Viech auf der Alm. Ein auffälliger Wolf muss sofort entnommen werden können." Nun liegt es an der Europäischen Union, die ganz offiziell den Schutzstatus des Wolfes absenken muss.

Kritik an geplanter "Maßnahmengruppe Wolf" des Umweltministeriums: "Eine Nebelkerze gezündet"

Der bayerische Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) hat am Freitag die Einrichtung eines Expertenteams verkündet. "Mit der 'Maßnahmengruppe Wolf' steht insbesondere für Entnahmen zukünftig bayernweit ein Team von Experten bereit", sagte er. "Das wird die Verfahren weiter beschleunigen. Das Wolfsmanagement im Freistaat wird dadurch noch effizienter." Ziel des Ministeriums und der beteiligten Verbände sei unter anderem, im Bedarfsfall auf die Umsetzung einer Wolfsentnahme gut vorbereitet zu sein.

Der Vorsitzende des Bundes Naturschutz, Richard Mergner, kritisierte: "Umweltminister Glauber hat mit seiner Wolfabschussgruppe eine Nebelkerze gezündet." Er fügte hinzu: "Schnellere Entnahmen von echten Schadwölfen erreicht man vor allem durch rechtskonforme Bescheide – die bayerische Staatsregierung ist weit davon entfernt, für diese die notwendigen Grundlagen geschaffen zu haben. Wolfsabschüsse nach Nutztierrissen seien der allerletzte Schritt im Wolfsmanagement.

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