Eingeparkt im Wutanfall

Nürnberg - Der 38-jährige Matthias Egersdörfer ist Meisterschüler an der Kunstakademie – und nun preisverwöhnter Comedian (Scharfrichterbeil, Kaktus). In der AZ spricht er über seine Katapult-Karriere und „Fast zu Fürth“ beim Bardentreffen
"Schlimme Comedy mit lustiger Musik“ kündigt das Quintett – Achtung Wortspiel! – „Fast zu Fürth“ für seinen Auftritt beim Nürnberger Bardentreffen (Freitag, 21 Uhr, Sebalder Platz) an. Mittendrin in der Old Boy Group, die ihre Wurzeln im legendären Kulturverein Winterstein in der Fränkischen Schweiz hat, ist Matthias Egersdörfer, der Brachial-Humorist und Meisterschüler von Peter Angermann. Er wird gerade durch die Beletage des Kabaretts gereicht („Scheibenwischer“, „Dittsche“, Urban Priol) und erhielt gerade auch ein Nürnberg-Kulturstipendium.
AZ: Herr Egersdörfer, wissen Sie, was Sie am 7. März 2010 machen?
MATTHIAS EGERSDÖRFER: Da müsst’ ich edz nachschau’n.
Da sind Sie in der Brentanoscheune in Oestrich-Winkel. Haben Sie noch einen Überblick über Ihre Auftritte?
Naja, ich weiß, dass das nächste Jahr voll ist.
Mit wieviel Terminen?
Ich zähle die nicht. Es sind so 120, 140 pro Jahr. Mehr möchte ich nicht machen.
Bei den Preisen wird’s auch langsam unübersichtlich, oder?
Edz ist erst amol Schluss. Wenn man jetzt noch weiter macht, wäre das Streberei.
Sind denn Preise wichtig?
Schon.
Um sich in ein paar Jahren zur Ruhe zu setzen.
Das nicht. Aber am Anfang war es zum Beispiel in München schwer Auftrittsmöglichkeiten zu finden. Da sind solche Preise einfach Türöffner.
Was ist denn so komisch an einem schlecht gelaunten Franken auf der Bühne?
Es ist fast eine Marktlücke. Denn allzuviele, die mit schlechter Laune rumlaufen, gibt’s nicht. Aber ich habe das nicht planmäßig gemacht. Die unfreundliche Type hat sich so entwickelt.
Wollen die Leute gequält werden?
Auf jeden Fall.
Sie haben mir mal gesagt, dass Sie sich eigentlich als Geschichtenerzähler verstehen. Gilt das noch?
Es ist immer noch schön, wenn man Mixed-Shows spielt und Kollegen nach meinen Geschichten fragen, um Themenüberlappungen zu vermeiden. Ich sage dann die Überschrift, etwa „Eingeparktsein“. Und das langt mir als Thema für 15 Minuten.
Im Banalen bohren – ist das eine bewusste Entscheidung gegen Poesie?
Naja, eine krude Poesie ist das scho. Ich komme eigentlich vom Schreiben und das, was ich mache, hat mit Sprache zu tun.
Aber es wird wahrgenommen als Wutanfall und Publikumsbeschimpfung.
Unterschiedlich. Diese mäandernden Windungen, in die ich mich da hinein steigere, die Momente der Auflösung stellen die Leute schon auch fest. Und das hat schon mit Poesie zu tun.
Werden Sie drastischer oder raffinierter?
Ich lerne den Typen immer mehr kennen und stelle fest, dass man’s mit dem noch lange aushalten kann.
Ist das ein Kotzbrocken?
Stellenweise ein Unsympath, aber er hat auch seine liebenswürdigen Seiten. Manchmal habe ich schon ein Harmoniebestreben, doch noch.
Sie sind ein Gemütsmensch?
So freiwillig wie das die Bühnenfigur macht, tue ich das nicht. Der brüllt ja aus den nichtigsten Gründen heraus.
Sie setzen das also nicht im Privaten fort?
Dass ich hier herumschreie?
Ja, und das ganze Leben als Bühne begreifen.
Auf keinen Fall. Auf der Bühne mache ich Sachen, die ich mir sonst nicht trauen tät.
Sie waren heuer oftmals Gast in Satire-TV-Sendungen. Wie reagierten Bruno Jonas oder Olli Dittrich?
Am Schluss des „Scheibenwischer“ hat Bruno Jonas bei der Schlussverbeugung den Kopf geschüttelt und gesagt: Leider gut. „Scheibenwischer“ war auch ein Ritterschlag. Und das sind herausragende Erlebnisse, weil man auch mitbekommt, wie die harten Brocken arbeiten.
Als bildender Künstler erschienen Sie wesentlich ernsthafter. Ein falscher Eindruck?
Diese „Gombrich“-Zeichnungen waren schon eine kleine, feine Boshaftigkeit: die ganze Kunstgeschichte auf Karteikarten abzuzeichnen.
Ihre Karriere war ja nicht zielstrebig...
Überhaupt nicht.
Wann haben Sie gemerkt, dass Sie lieber auf einer Bühne als in einem Atelier stehen wollen?
Als ich mein Kunststudium bei Peter Angermann aufgenommen habe, entstand auch mein erstes Soloprogramm. Das lief parallel. Und irgendwann merkte ich: Damit komme ich schneller weiter.
Die „Comedy Lounge“, die im Gostner erst langsam zum Erfolg wurde, ließ eher an einen zähen Hund denken.
Das war ja die Werkstatt, ist es immer noch. Das ist mein minimales Monatspensum für neue Geschichten.
Das Trashige, Schräge war ja schon beim Kulturverein Winterstein unübersehbar.
Wir hatten da ja kein Geld, um Ausstellungen zu machen. Insofern war das trashig, ob wir wollten oder nicht. Aber es war von Anfang an klar, dass wir dieses Podium unverfälscht bauen wollen. Winterstein war Keimzelle für alle, die da mitgemacht haben.
Wer ist davon zu „Fast zu Fürth“ übergegangen“?
Alle. Das ruhte eine Zeit lang, aber war nie vorbei.
Ist das derber Humor in Feinrippunterwäsche?
Das sind fünf Evangelen, die versuchen, katholisch zu sein.
Das ist erstrebenswert?
Die Katholiken sind klar im Vorteil, die können viel mehr Gas geben. Der Evangele muss sich immer selbst überlisten. Interview: Andreas Radlmaier