Bayerns Nobel-Hotel mit der dunkelsten Geschichte: "Galt als eines der besten im Land"

Salzburg - Als Berchtesgaden zum Kriegsende eingenommen wurde, hieß das vom Münchner Architekten August Brüchle Ende des 19. Jahrhunderts erbaute "Grandhotel und Curhaus Auguste Viktoria" "Berchtesgadener Hof". Die Nazis hatten das Hotel zur NS-Luxusherberge umgebaut. "Das gesellschaftsgeschichtlich bedeutsame Hotel galt jahrelang als eines der besten im ganzen Land", sagt Historiker Florian Beierl. Heute steht seit zehn Jahren auf derselben Stelle das Nationalparkzentrum "Haus der Berge".
"Wenn Hotelmauern Geschichten erzählen könnten...", sagt Beierl. Vier Staatsformen hat das Gebäude am Berchtesgadener Ortsrand durchlaufen – angefangen bei der Monarchie und der Weimarer Republik. 1936 übernahmen es die Nationalsozialisten. Unzählige Prominente beherbergte der "Berchtesgadener Hof" während der Kriegsjahre. Ab 1945 diente das Hotel der US-Armee als Erholungsquartier. 2006 wurde der "Berchtesgadener Hof" schließlich abgerissen.

"Berchtesgadener Hof": Ein Hotel – viele Epochen
Mit der NS-Vergangenheit seines Heimatortes beschäftigt sich Beierl schon seit Jugendjahren. Er hat viel Zeit in US-amerikanischen Archiven verbracht. Der 52-jährige Berchtesgadener gründete in den frühen 2000er-Jahren das "Obersalzberg Institut". Er sprach mit Hunderten Zeitzeugen sowie mit Personen aus Hitlers Umfeld und hat US-Befreier interviewt. Beierl hat in den 1990er-Jahren im "Berchtesgadener Hof" eine Berufsausbildung zum Hotelfachmann gemacht.
Das nicht mehr existente Haus ist ihm daher nicht fremd. In seinem Archiv lagern originale Hotelpläne, etliche Dokumente und ein Sammelsurium an Fotos, welche die einst glorreiche, später braune und dann von US-amerikanischer Prägung bestimmte Geschichte erzählen. In dem Haus, das im deutschen Kaiserreich zur ersten Adresse zählte, wurde internationales Publikum begrüßt. Vertreter von Fürstenhäusern kamen, wie etwa Mitglieder der Familie Hohenzollern. Die deutsche Kaiserin Auguste Viktoria und Namensgeberin des Hotels verbrachte dort kurz nach Fertigstellung ihre Sommerfrische. Sie verpasste dem Haus den nachhaltigen Glanz.

Treffpunkt der Nazis: "Juden sind an diesem Ort nicht erwünscht"
Die jüdische Familie Rothe erwarb es einige Jahre später. Sie ließ es mit hohen finanziellen Mitteln modernisieren. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten mussten Teile des Hotels verpflichtend freigehalten werden. Jüdische Gäste kamen zu diesem Zeitpunkt nicht mehr. In Berchtesgaden wiesen Schilder darauf hin: "Juden sind an diesem Ort nicht erwünscht". "Jüdische Betriebe wurden geschnitten und bedrängt, wo es nur ging", sagt Beierl. Das erste Stockwerk des "Berchtesgadener Hof" blieb für Hitlers Gäste reserviert. 1939 wurde die jüdische Familie zum Verkauf gedrängt – für einen Spottpreis von 600.000 Reichsmark. Investiert hatte sie 4,5 Millionen Reichsmark.
Das Haus, dessen Logo nun ein Edelweiß war, wurde zum NS-Diplomatenhotel. Der "Berchtesgadener Hof" war zu diesem Zeitpunkt so modern ausgestattet wie kaum ein zweites Hotel: Im Untergrund gab es Luftschutzbunker samt Dekontaminationsduschen und ein System zur Entgasung. Das Haus wurde zur "bewohnbaren Kunstsammlung" bedeutender Maler.
Die Schwester von Adolf Hitler landete nach dem Weltkrieg auf dem "Berchtesgadener Hof"
Auch Hitlers Schwester Paula war im Krieg aus Niederösterreich evakuiert worden, und landete zunächst im "Berchtesgadener Hof". Sie liebte die Gegend, weiß Beierl aus Recherchen. Unter anderem Namen (Paula Wolf) verbrachte sie ihre letzten Tage in Berchtesgaden und wurde auf dem Bergfriedhof begraben.
Als die Amerikaner Ende des Zweiten Weltkriegs in Berchtesgaden einmarschierten, fanden im Hotel die Kapitulationsverhandlungen mit Generalfeldmarschall Albert Kesselring statt. Bis zum Abzug der US-Truppen 1995 war der "Berchtesgadener Hof" Erholungsort für US-Bürger, "als Dank für die schwierige Zeit im Feld", sagt Beierl. Das Gebäude stand seitdem leer. Nur ein einheimischer Friseurmeister behielt dort seinen Salon bis zum Abriss elf Jahre später.