Eine Seefahrt, die war lustig
Sind Sie hier auch mal an Bord gegangen? 56 Jahre lang ist die MS Seeshaupt über den Starnberger See gefahren. Jetzt wird sie abgewrackt. Eine Nachfolgerin ist schon im Bau
STARNBERG - Es ist wirklich ein grausliger Anblick. Mit lautem Krachen frisst sich eine riesige Beißzange an einem Baggerarm durch die stählerne Außenhaut der MS Seeshaupt. Obwohl: Mit dem einst so stolzen Motorschiff hat das, was auf dem Gelände der Starnberger Seenschifffahrt liegt, eigentlich nichts mehr zu tun. Nach 56 Jahren auf großer Fahrt über den Starnberger See wurde die Seeshaupt im Herbst in den unrühmlichen Ruhestand verabschiedet. Zu viel Rost, zu viele Reparaturen.
Seit Wochen ist eine Abwrack-Firma damit beschäftigt, die Seeshaupt in kleine Teile zu zerlegen, der Schrott wird dann wiederverwertet. „Bis Ende der Woche wollten sie fertig sein“, sagt Ralph Schlemmert, der Betriebsleiter der Starnberger Werft, zur AZ. Stück für Stück, von innen nach außen, wurde das 60 Meter lange Schiff demontiert. Kabinen, Küche, Maschinenraum – alles musste raus. Anschließend wurde der fast leere Rumpf an Land gezogen. Dann kam die große Beißzange.
Bei den Mitarbeitern der Seenschifffahrt herrscht eine Mischung aus nostalgischer Trauer und Vorfreude. Zum einen, weil ihnen der stolze Kahn in all den Jahren doch sehr ans Herz gewachsen ist. Welcher Münchner ist wohl nicht einmal in seinem Leben auf der Seeshaupt gefahren? Eine „Derrick“-Folge wurde darauf gedreht, Stars wie Heinz Rühmann, Hardy Krüger oder die Sängerin Milva waren darauf unterwegs. Gert Fröbe bekam auf Deck eine Auszeichnung – allerdings mit Hindernissen: Er war zu spät gekommen und der Seeshaupt per Ruderboot nachgefahren.
Die Vorfreude, die die Seenschiffer verspüren, heißt ebenfalls Seeshaupt: Das neue, stromlinienförmige Schiff wird derzeit auf einer Werft bei Bonn gebaut. Es soll, so die Binnen-Reeder, „Kreuzfahrt-Atmosphäre vor Alpenkulisse“ bieten. 6,5 Millionen Euro sind für die Neue veranschlagt, 800 Passagiere werden Platz haben, Aufzug, Spielecken, Gastronomie – und 30 Sonnenliegen gibt’s auch. Und bei der feierlichen Eröffnungsfahrt im Frühsommer 2012 werden sechs ganz besondere Ehrengäste an Bord sein: Die mittlerweile reifen Damen durften anno 1955, bei der Weihe der alten Seeshaupt, als blutjunge Madln ein Gedichterl aufsagen und Blumen überreichen.
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