Eine Porzellanfabrik verschwindet
„Weißes Gold“: Susanne Neumann berichtet mit einer berührenden Installation in der Nürnberger Zentrifuge vom "Verschwinden einer Porzellanfabrik & anderen Meraviglien"
In der Porzellanfabrik Bareuther/ Gareis im oberpfälzischen Waldsassen gingen 1993 die Lichter aus. Die Firma war bankrott und die Geschichte der Porzellanherstellung, die das Leben in der Stadt 130 Jahre lang geprägt hatte, zu Ende. Wo etwa 400 Menschen gearbeitet hatten, setzten Maschinen und Öfen, Mobiliar und Dokumente, Gussformen und Material Staub an. In den dem Verfall preisgegebenen Gebäuden führten diese Hinterlassenschaften einen Dornröschenschlaf, aus denen nur wenige zu neuem Leben erwachten. In der Ausstellung „Weißes Gold“ erzählen sie ab morgen vom „Verschwinden einer Porzellanfabrik“ – an einem Ort, wo einst „weiße Ware“ produziert wurde: in Halle 14 „Auf AEG“ in Nürnberg.
Bevor 2006 mit dem Abbruch begonnen wurde, durfte sich die in Waldsassen geborene und aufgewachsene Künstlerin Susanne Neumann noch einmal in der verwaisten Porzellanfabrik umsehen, fotografieren und aus Bürogebäuden und Produktionshallen nehmen, was sie wollte. Einen Teil dieser Fundstücke hat die Absolventin der Akademie der Schönen Künste Florenz und ehemalige Assistentin von Daniel Spoerri nun erstmals aus dem Lager geholt und in der Zentrifuge auf AEG zusammen mit Film- und Fotomaterial in einer multimedialen Installation versammelt.
Auf Tischen ausgestellt trotzen im Eingangsbereich Kaffeekannen dem Schicksal, nicht mehr gefragt zu sein. Ein alter Garderobenschrank wartet auf Mäntel, Bürostühle auf neue Benutzer und Geschirrkartons darauf, vielleicht doch noch aus den Regalen genommen und verschickt zu werden. Ein vergebliches Aufbäumen.
Eine Tür, von der die gelbe Farbe blättert, führt in die große Halle, in der Susanne Neumann mit Mutterformen gefüllte Kisten zu einer Bodeninstallation arrangiert hat. Die Mutterformen, der erste Schritt zum fertigen Geschirr, sind für die Künstlerin „die Seele des Porzellans“. Der Staub hat einen Grauschleier auf ihr hinterlassen. Und vergilbt sind die Notizhefte der Ofenwache, in der penibel die Produktionsschritte aufgezeichnet wurden. Strahlend blau erscheinen nur noch die Schmuck-Weihnachtsteller verschiedener Jahrgänge, die als Wandbild einziger Farbtupfer in der Halle sind.
Wo die sicht- und spürbare Aufbruchstimmung auf dem ehemaligen AEG-Gelände vom zuversichtlich stimmenden Anfang nach dem Ende zeugt, macht Susanne Neumanns berührende Installation besonders traurig. Ute Maucher
Eröffnung morgen, um 19 Uhr; bis 10. Oktober, Zentrifuge, Halle 14 Auf AEG, Muggenhofer Str. 141
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