Eine mobile Guerilla-Einheit für die Empörung

Der Rockpoet Heinz Rudolf Kunze singt in Nürnberg in „Räuberzivil“. Im AZ-Interview spricht er über Protest, sein neues Album und den Tanz auf verschiedenen Hochzeiten.
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Besser geht’s nicht: Das ist nicht Jack Nicholson, sondern Heinz Rudolf Kunze – im kammermusikalischen „Räuberzivil“ heute im Nürnberger Karstadt-Café.
dpa Besser geht’s nicht: Das ist nicht Jack Nicholson, sondern Heinz Rudolf Kunze – im kammermusikalischen „Räuberzivil“ heute im Nürnberger Karstadt-Café.

NÜRNBERG - Der Rockpoet Heinz Rudolf Kunze singt in Nürnberg in „Räuberzivil“. Im AZ-Interview spricht er über Protest, sein neues Album und den Tanz auf verschiedenen Hochzeiten.

Zuletzt machte er an dieser Stelle „Gemeinsame Sache“ mit dem Sänger Purple Schulz. So stimmig, dass die Rückkehr ins Nürnberger Karstadt-Kultur-Café mit einigen Erwartungen verbunden ist. Der „Kleinkunst“ bleibt Heinz Rudolf Kunze, der Rockpoet und Literat, Musicalschreiber und Hochschuldozent, treu, wenn er heute (20 Uhr) im „Räuberzivil“ mit Gitarrist Wolfgang Stute und Geiger Hajo Hoffmann antritt. Eine „kleine mobile Guerilla-Einheit“, die Kunze die Möglichkeit gibt, „durchs Gesamtwerk zu streifen“. Stücke von „1981 bis morgen“, Songs, „die auf dem neuen Album nicht mal drauf sind“. Seine neue Single „Längere Tage“, Vorgeschmack auf das Ende Januar erscheinende, 28. Album „Protest“, landete soeben in den Radio-Charts.

AZ: Herr Kunze, „Räuberzivil“ könnte auch eine Umschreibung für Hausmusik, Jogginghose und Bequemlichkeit sein.

HEINZ RUDOLF KUNZE: Weder Jogginghose noch Bequemlichkeit, eher guerillaartiges Auftreten, also Tarnhemd und Turnschuhe. Bequem vielleicht nur in dem Sinne, dass wir ein Trio sind, das nur das äußerst Notwendige übt und viel, viel Raum für Freiheiten lässt. Die Zwischentexte sind sehr kabarettistisch und aktuell, und musikalisch ändern sich die Stücke von Konzert zu Konzert.

Der Albumtitel „Protest“ lässt darauf schließen, dass Sie sich wieder als Protestsänger fühlen. Das ist aber ein Begriff aus dem letzten Jahrtausend, oder?

Ja, aber es gibt dazu eine unschlagbare Aussage, vom Meister selbst, von Bob Dylan, der in dem Scorcese-Film von einem irritierten Journalisten 1966 gefragt wurde, warum er keine Protestlieder mehr schreibe. Und antwortete: „Alle meine Lieder sind Protestlieder.“ Das ist für mich ein Leitgedanke dieser Platte gewesen. Ich bin eigentlich immer empört. Auch mit Liebesliedern – gegen die Lieblosigkeit der Welt.

Protest klingt nach Verweigerung.

Für mich nicht. Ich wollte den Leuten auch mal durch den Titel klarmachen, dass ich durchaus nicht altersmilde geworden bin.

Gegen wen wendet sich nun die aktuelle Wut?

Es gibt so viele Dinge in unserer Gesellschaft, die schwachsinnig sind und einen mit Sorge erfüllen: Gleichgültigkeit, Einerlei, Niveaulosigkeit.

Und Sie wollen sich aufregen?

Ich habe mich immer aufgeregt, das wurde komischerweise nur manchmal nicht wahrgenommen. Eine andere Seite ist viel wichtiger geworden: Die Liebeslieder sind durch die Erfahrungen, die ich privat gemacht habe, tatsächlich auch privater. Ich hoffe, dass sich da nicht nur meine neue Frau adressiert fühlt.

Zur Platte tauchen Bemerkungen von Ihnen auf wie „Was früher mal Rockmusik war, besteht jetzt aus plärrenden Geschlechtsteilen“. Hören Sie da nicht den eigenen Vater über die Jugend sprechen?

Wenn ich da meinen Vater höre, höre ich ihn in einer neuen Gestalt – und dann hätte er recht.

Versteht man einfach nur manches nicht mehr?

Das kann ich nicht ausschließen. Aber ich muss zu meiner Generation stehen. Ich bin gerade 52 Jahre alt geworden, aber ich bin doch ein ganz anderer Zweiundfünfziger als mein Vater einer war.

Den Aufstand der Anständigen versuchten auch Kollegen wie Wecker anzustoßen. Ist das nicht vergebliche Liebesmüh’?

Das kann schon sein. Aber Zeugnis ablegen im biblischen Sinne muss man.

2006 hieß eine Tour noch „Kommando Zuversicht“, jetzt ist bei Ihnen von „Erfolglosigkeit“ zu lesen. Was ist da passiert?

Die Erfolglosigkeit von Absichten, meinen Sie?

Ja, das Gefühl durchschlagender Wirkungslosigkeit.

Das ist ein Problem, das wir alle haben, in jeder kommerziellen Größenordnung. Man versucht es halt – was soll man denn machen als Künstler? Man stellt ein Licht ins Fenster und hofft, dass es jemand sieht.

Bietet das „Räuberzivil“ -Konzept Heinz Rudolf Kunze auch die Möglichkeit, mit Würde ins Alter hinüberzugleiten?

Das wird die Zukunft zeigen. Ich brauche den Tanz auf mehreren Hochzeiten. Für mich geht es also nicht um entweder oder. Ich möchte gerne im nächsten Frühjahr mit der großen Band noch mal richtig angreifen und ich habe das erste Mal in meinem Leben auch ein Management, das richtig Gas gibt und mit mir alt werden möchte. Interview: Andreas Radlmaier

Heinz Rudolf Kunze tritt am 11. Dezember (20 Uhr) mit „Räuberzivil“ im Karstadt Kultur Café (Eingang über Adlerstraße) auf

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