Eine Frischzellenkur mit den Strichmännchen
NÜRNBERG -Nürnbergs Neues Museum zeigt erstmals Design-Studierende der Kunstakademie. Die zeigen sich in Hochform!
Pointen sind eine Frage der Perspektive: Im großen Saal des Neuen Museums muss man den richtigen Winkel vor dem weißen Kuben-Berg finden, um zu lesen: „300 % MINIMUM“. Klingt nach Arbeit, die man der Ausstellung „Denk daran wie... du bist“ der Nürnberger Kunstakademie-Klasse Felten/Gierst nicht ansieht.
Denn die Ergebnisse aus Grafik- und Kommunikationsdesign — sensible Bleistiftskizzen, poppige Plakate, Fotografieserien, Objekt- und Videokunst — prallen so funkenschlagend wie unterhaltsam zusammen. Neben der Plakat-Tradition (66 starke Beispiele formen eine kompakte Wand) und Typografie-Experimenten flimmern in der bunten Wundertütenwelt Videobotschaften: Ludwig Janoff wühlt mit der Fraktur-Aufforderung „Kauft nicht beim BAYERN“ tief in der fränkischen Geschichte, Korbinian Schmidt ironisiert Betroffenheitspathos mit der Frage „Und die armen Kinder in Afrika?“
Oft schmeckt der treffende Witz nachtschwarz nach. Wie bei Suvi Häring, die für ein Zeitschriftenprojekt Selbstmordstatistiken grafisch prägnant erfasst. Oder das unscheinbare Büchlein „-x-“, einer der Höhepunkte der Ausstellung: Harms Kraa erzählt eine absurde und blutige Prekariatsgeschichte mit wirkungsvollen Strichmännchen und lakonischen Texten, so originell, dass man das Unikat am liebsten kaufen würde.
Das Buch ist Teil der verwinkelten Kubenlandschaft, die den Raum strukturiert. Hier liegt auch Verena Hennigs gelungene Foto-Serie „Hide“ aus oder Katharina Fricks schwarzweiß kopiertes Daumenkino „Caruso singt“. Briefmarkengroß lodert in „Ich spüre Liebe“ von Guido Naujoks und Ludwig Janoff im Sekundentakt ein Baum auf und verglüht; um die Ecke lauert ein Plastikmonster von Johannes Böhm.
„Denk daran...“ ist die erste Kooperation des Neuen Museums mit der Nürnberger Kunstakademie. Die Frischzellenkur bringt Leben in die oft dröge Bude. Mehr davon! Georg Kasch
Neues Museum (Klarissenplatz): bis 1. November, Di-Fr 10-20 Uhr, Sa/So 10-18 Uhr
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