Ein Opfer der Milchkrise: Bauer bringt sich um
Dieter K. (58) aus Langensteinach sprang aus Verzweiflung in die Jauchegrube. Es war nicht der erste Schicksalsschlag für die Familie.
LANGENSTEINACH Die Milchkrise hat ein erstes Todesopfer gefordert! Ein Landwirt (58) aus dem westlichen Mittelfranken, der wegen des Preisverfalls der Milch in ein tiefes Schuldenloch gefallen war, hat sich auf seinem Bauernhof umgebracht. Am Mittwochnachmittag wurde er unter großer Anteilnahme der Bevölkerung auf dem Friedhof in Langensteinach (Kreis Neustadt/Aisch-Bad Windsheim) beigesetzt.
„Den hat die Politik auf dem Gewissen“, drückt ein Dorfbewohner das aus, was viele in der kleinen Gemeinde denken. Dieter K. (58) war einer von ihnen. Im Schützenverein saß er im Vorstand, dem Soldatenverein gehörte er an, am dörflichen Leben nahm er teil. „Er war ein netter Kerl“, sagt ein Nachbar.
„Er war in letzter Zeit nervlich nicht so gut beieinander“
Am Rand von Kleinharbach, einem Ortsteil von Langensteinach, hat sich Dieter K. vor Jahren einen „Aussiedlerhof“ hingestellt – und seinen Betrieb voll auf die Milchwirtschaft ausgerichtet. Das war zu Zeiten, als der Staat den Ausbau dieses landwirtschaftlichen Produktionszweigs förderte. Die Zeiten haben sich geändert. Nur noch 20 Cent bekommen derzeit die Bauern für einen Liter frischer Milch – und zahlen drauf.
Die unheilvolle Perspektive stürzte den immer mehr und mehr in Schulden versinkenden Milchbauern aus Langensteinach in Depressionen. „Er war in letzter Zeit nervlich nicht so gut beieinander“, wollen Dorfbewohner wissen. Wie sehr jedoch die Verzweiflung an Dieter K. nagte, stellte sich erst heraus, als es bereits zu spät war.
Seine Frau fand beim Aufwachen ein leeres Bett an ihrer Seite vor – und gleich danach einen handschriftlichen Zettel, der nichts Gutes ahnen ließ. „Ich gehe jetzt zu meiner Tochter Tanja“, das hatte Dieter K. hingekritzelt. Tanja war vor rund 15 Jahren bei Feldarbeiten der Familie vom Traktor überrollt und getötet worden. Ein schwerer Schicksalsschlag, den Dieter K. nie richtig verkraften konnte. Ein Dorfbewohner sagte zur AZ: „Er hat sich nach außen wenig anmerken lassen. Aber er wurde oft gesehen, wie er versteinert an der Unglücksstelle stand und grübelte.“
Als seine Ehefrau am frühen Morgen den Abschiedsbrief in der Hand hielt, kämpfte ihr Mann in diesem Moment um sein Leben. Sie hörte Hilferufe, sie erkannte die Stimme ihres Mannes. Die Schreie kamen aus der Jauchegrube hinter dem Haus. Dieter K., der in selbstmörderischer Absicht hineingesprungen war und dann offensichtlich von diesem Entschluss Abstand genommen hatte, hielt sich verzweifelt an einem Rohr fest.
Sein Sohn war gerade aus Afghanistan heimgekommen
Seine Frau schaffte es nicht, den mehr als 100 Kilo schweren, um sein Leben kämpfenden Mann aus der Grube zu ziehen. Das gelang erst den herbeigerufenen Hilfskräften. Der Notarzt konnte da noch schwache Lebenszeichen feststellen, doch auf dem Weg ins Krankenhaus starb Dieter K. aufgrund der hohen Menge von giftigen Gasen, die er eingeatmet hatte.
Auf seinem letzten Weg begleitete ihn die ganze Dorfbevölkerung. Direkt hinter dem Sarg lief die trauernde Familie, darunter auch der Sohn des Milchbauern. Der Bundeswehrsoldat war erst vor wenigen Tagen aus dem Kriegsgebiet von Afghanistan in die Heimat zurückgekehrt. Er wollte sich von den Strapazen des Einsatzes erholen. Doch die Konfrontation mit dem Tod ging für ihn weiter.
Helmut Reister
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