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Ein Oberbayer wird Papst: Der spektakuläre Rücktritt und das Leben als Papa Emeritus

Das gab es quasi noch nie: Ein Papst wirft hin. Benedikts Rücktritt, die angeblichen und tatsächlichen Gründe – und sein Verhältnis zu seinem Nachfolger Franziskus.
von  Ruth Schormann
"Es war natürlich immer auch eine Last", sagt Benedikt XVI. seinem Biografen über sein Pontifikat.
"Es war natürlich immer auch eine Last", sagt Benedikt XVI. seinem Biografen über sein Pontifikat. © Foto: AP/dpa/Gregorio Borgia

Der frühere Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone sagte der italienischen Tageszeitung "La Stampa" diese Woche, der deutsche Papst habe ihm gegenüber bereits im Frühjahr 2012 erstmals von Rücktritt gesprochen. Das berichtet die Katholische Nachrichtenagentur KNA. Damals habe er das für eine vorübergehende Idee gehalten, doch dann sei Benedikt XVI. im Sommer mit mehr Nachdruck darauf zurückgekommen. Da habe er bemerkt, dass dieser Entschluss im Gebet und im Nachdenken im Papst herangereift sei, erklärte Bertone.

Der Entschluss ist gefasst und reiflich überlegt

Schließlich habe er Benedikt XVI. davon überzeugen können, die Bekanntgabe wenigstens noch bis zum Februar 2013 hinauszuzögern, so dass an Weihnachten 2012 noch der dritte Teil seines Jesusbuchs veröffentlicht werden konnte.

Und dann kam dieser eine Montag, der 11. Februar 2013. In seiner Biografie "Benedikt XVI. – ein Leben" schildert Peter Seewald den Tag des Rücktritts. "Es ist der schwerste Tag in seiner achtjährigen Amtszeit. Vielleicht sogar der schwerste in seinem Leben. Danach würde man das Papsttum nie wieder so betrachten wie vorher", schreibt der Benedikt-Kenner.

Doch der Entschluss ist gefasst und reiflich überlegt. Bei einem für diesen Tag anberaumten Kardinalstreffen wirkt der Papst müde, schreibt Seewald. Seine Gesundheit war noch nie die beste, erst vor wenigen Wochen war ihm im Alter von 86 Jahren ein neuer Herzschrittmacher eingesetzt worden, sein linkes Auge war nach einer Infektion mittlerweile vollständig erblindet, so der Biograf weiter, die Arthrose ließ sich nicht mehr verbergen.

In der Vollversammlung der Kardinäle, bei der es eigentlich nur um drei Heiligsprechungen gehen sollte, verkündet Benedikt XVI. nun also in lateinischer Sprache, "auf das Amt des Nachfolgers Petri zu verzichten". Die obersten Würdenträger der katholischen Kirche konnten es zunächst gar nicht fassen, zweifelten an den eigenen Lateinkenntnissen und zupften ihren Nachbarn fragend am Chorgewand.

Er dachte, es geht bald zu Ende

Aber sie hatten richtig verstanden: Als erster Papst seit dem Jahr 1294 trat Benedikt freiwillig zurück. Er begründete seinen Rücktritt zum 28. Februar 2013 mit seiner schlechten Gesundheit, er dachte, es geht bald zu Ende.

Benedikt-Kenner Helmut Hoping merkte allerdings im AZ-Gespräch an, Intrigen, Lügen und Verrat im Vatikan hätten für den Rücktritt wohl eine mindestens so große Rolle gespielt wie die angeschlagene Gesundheit. Der bayerische Papst selbst bestritt, dass sein Rücktritt etwas mit "Vatileaks" zu tun hatte.

Am 13. März 2013 wird also ein neuer Papst gewählt, obwohl der alte noch lebt. Keine leichte, ja, eine einmalige Situation für den "Neuen". Der damals 76-jährige Argentinier, Jose Mario Bergoglio, mit einem ganz anderen Stil, Temperament und Charisma, wie auch Seewald schreibt.

"Für die Welt verborgen"

Der Emeritus versprach, "für die Welt verborgen" zu bleiben, wollte zurückgezogen mit vier Nonnen und seinem engsten Vertrauten, Erzbischof Georg Gänswein, im Kloster Mater Ecclesiae in den Vatikanischen Gärten leben.

Doch immer wieder äußerte der Papa Emeritus sich auch öffentlich und befeuerte dadurch Spekulationen, dass er mit dem Kurs seines Nachfolgers Franziskus nicht einverstanden sei. Der aber wird über dessen Tod hinaus nicht müde, seinen Vorgänger zu loben. "Wir danken Gott dafür, uns Benedikt XVI. geschenkt zu haben", erklärte der amtierende Pontifex im Vorwort zu einem bald erscheinenden Buch über Benedikts spirituelles Denken.

Rücktritt ja, gänzlicher Rückzug – nein: Im Jahr 2020 beispielsweise äußert sich Benedikt im Buch "Des profondeurs de nos cœurs" (übersetzt: "Aus den Tiefen unserer Herzen"): "Ich glaube, dass der Zölibat eine große Bedeutung hat", schrieb der 92-Jährige damals. "Der Zölibat wird sogar zur Grundvoraussetzung dafür, dass unsere Annäherung an Gott die Grundlage unseres Lebens bleibt."

Kurz zuvor hatte der amtierende Papst Franziskus auf einer Bischofssynode zumindest eine Diskussion über die Ehelosigkeit von Priestern angestoßen. Das sei eine "unerhörte Einmischung", war daraufhin in den Zeitungen zu lesen, von einem "Krieg der Päpste" war an mancher Stelle gar die Rede.

Just nach Franziskus' Anti-Missbrauchsgipfel im Vatikan 2019 schrieb Benedikt, dass die 68er-Revolution einer der Auslöser für Pädophilie war. Dem Vorwurf, ein "Schattenpapst" zu sein, widersprach Benedikt damals: "Es gibt nur einen Papst, Franziskus."

Jetzt ist es wirklich so.

Lesen Sie am Samstag: Sein engster Vertrauter – Was wird jetzt aus Erzbischof Gänswein?

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