Ein Leben für die Plastikschüssel

Die Tupperparty wird 60. Eine Bayerin feiert seit 46 Jahren mit: Hermine Hibler aus Farchant ist die dienstälteste Tupperware-Beraterin Deutschlands
von  Abendzeitung
„Bei diesen Produkten werde ich temperamentvoll“: Die 69-jährige Hermine Hibler vor ein paar Tagen bei einer Tupperparty.
„Bei diesen Produkten werde ich temperamentvoll“: Die 69-jährige Hermine Hibler vor ein paar Tagen bei einer Tupperparty. © az

Die Tupperparty wird 60. Eine Bayerin feiert seit 46 Jahren mit: Hermine Hibler aus Farchant ist die dienstälteste Tupperware-Beraterin Deutschlands

Beim ersten Mal ließ sich Hermine Hibler vom Doktor Baldrian empfehlen, so aufgeregt war sie vor ihrer Premiere als Tupperberaterin. Das war 1963, seit einem Jahr gab es die amerikanischen Produkte in Deutschland. Es war ein schöner Frühlingstag, im Radio lief seit Wochen „Junge, komm bald wieder“ von Freddy Quinn und für den Abend hatte die 23-jährige Hausfrau aus Bayern ihre ganze Familie zusammengetrommelt. Gastgeberin war ihre Schwiegermutter.

Hermine Hibler gab sich die größte Mühe, die neuartigen Schüsseln anzupreisen. Doch ihre eigene Begeisterung teilten die Gäste nicht auf Anhieb. Die magere Ausbeute ihrer ersten Tupperparty: 26 Mark. Da wollte sie eigentlich sofort wieder aufhören.

"Ich denke überhaupt nicht ans Aufhören"

46 Jahre und etwa 4 Millionen verkaufte Küchenprodukte später ist Hermine Hibler die dienstälteste Tupper-Beraterin Deutschlands – und kein bisschen mehr aufgeregt. Auch mit den Einnahmen ist sie zufrieden, manchen Urlaub hat sie sich davon geleistet und fürs Alter gespart. Sie sagt: „Ich denke überhaupt nicht ans Aufhören.“

Tupperpartys sind für sie wie ein Suchtmittel. Auch wenn die Dosierungen geringer sind als früher: Heute macht die 69-Jährige pro Woche zwei Veranstaltungen, früher hat sie häufig drei Mal präsentiert – an einem Tag. Von ihrem Wohnort Farchant fährt sie dafür schon mal 50 Kilometer weit. Tausende Veranstaltungen bei hunderten Gastgeberinnen sind so zusammengekommen, doch Hermine Hibler zählt schon lange nicht mehr mit. Ihre Produkte und die zugehörigen Nummern kennt sie dafür im Schlaf.

Ein Termin in Farchant ist für Hermine Hibler wie ein Heimspiel. Heute wird sie Klassiker in neuem Design vorstellen. Als Zugabe hat sie auch ein paar Teile aus dem noch nicht erhältlichen Januar-Programm von Tupper dabei. Gastgeberin ist Christina Schönmoser, Verkäuferin bei Lidl. Sechs befreundete und verwandte Hausfrauen sind zur Präsentation gekommen. Gemütlich und gespannt sitzen sie im geheizten Wohnzimmer, Christina reicht Bier, auf dem Tisch stehen selbst gebackene Plätzchen. Kurz nach halb acht geht es los.

„Ich warne Euch schon mal vor“, sagt Hermine Hibler und blickt von Dame zu Dame. „Bei diesen Produkten werde ich temperamentvoll.“ Neben ihr auf dem Tisch stapeln sich Schüsseln, Küchengeräte und Vorratsbehälter. Das erste Produkt an diesem Abend: ein Spätzlehobel für 15,90 Euro. „Der ist der Hammer: platzsparend und praktisch.“ Hermine Hibler strahlt wie ein Teenager, der von seiner Lieblingsband schwärmt. Daran hat sich in all’ den Jahren nichts geändert.

1948 ging's in Amerika los, heute gibt es Partys in 100 Ländern

Zu Tupperware kam sie über eine Nachbarsfamilie. „Diese Kunststoffschüssel hat sich in meinen Händen wie ein Diamant angefühlt“, sagt sie. So etwas hatte sie bis dahin nicht gekannt: Vorratsbehälter, in denen vorbereitetes Essen luftdicht gelagert werden konnte. Auf den Markt gebracht hatte sie der Amerikaner Earl S. Tupper und zunächst im Einzelhandel verkauft. Die Idee für Heimvorführungen hatte dagegen Brownie Wise, Hausfrau und später Tupperware-Verkaufsdirektorin. 1948 lud sie in Florida zum ersten Mal Freundinnen zu sich ein, bewarb und erklärte die Produkte: Die Tupperparty war geboren. Heute gibt es Tupperpartys in 100 Ländern weltweit und das Unternehmen setzte 2007 knapp zwei Milliarden Euro um.

„Ihr drückt hier, und schon klappt der Deckel auf. Und das Tolle ist: Er bleibt dran.“ Hermine Hibler bewirbt eine Vorratsdose in Form einer Traubenrebe. Alles mögliche könne man darin aufbewahren, nicht nur Nahrungsmittel. Die Idee von Tupperpartys ist genau diese: Berater wie Hermine Hibler sollen die Produkte erklären und Tipps für die passende Verwendung geben. Hermine Hibler nimmt das sehr ernst, jedes vorgestellte Produkt und Rezeptheft kennt sie aus der eigenen Küche, hat es schon beim Backen und Kochen probiert. Sie sagt nichts, was sie nicht auch halten kann. Deswegen hält sie sich später bei den Messern zurück, die erst heute geliefert worden sind: „Ich finde sie toll, das kann ich sagen. Aber ich bin natürlich nicht als Messerverkäufer ausgebildet.“ Zeit nimmt sie sich trotzdem, die einzelnen Messertypen in die Runde zu zeigen.

Seit sie mit Tupperware handelt, ist Hermine Hibler Geschäftsfrau. Für ein klassisches Angestelltenverhältnis hätte sie als Hausfrau mit drei Kindern keine Zeit gehabt. „Bei mir gibt es kein Wochenende“, sagt sie. Nach zwei schwierigen Anfangsjahren war klar, dass sich der Einsatz lohnen würde: Einmal setzte sie in einer besonders starken Woche 7000 Mark um. „Bei so einer Lieferung ist das ganze Haus voll“, erinnert sie sich.

Durchschnittlich rechnet sie heute pro Veranstaltung mit etwa 500 Euro. Von diesem Umsatz behält sie 24 Prozent, ihre Fahrten sowie die Geschenke für Gastgeber und Gäste zahlt sie selbst.

Als Hermine im Kreißsaal liegt, hält ihr Mann die Stellung

1976 wurde aus der Beraterin Hibler die Gruppenleiterin Hibler. Ein weiterer Karriereschritt im Unternehmen Tupperware. Zehn Jahre lang schulte sie von da an selbst Berater und Beraterinnen, half ihnen, ihre Geschäfte zu führen. In all dem war sie so erfolgreich, dass das Unternehmen sie einmal in den 80er Jahren zu einer Reise zum Hauptsitz nach Orlando einlud, inklusive des Besuchs von Vergnügungsparks.

Doch so lange Hermine Hibler Tupperware kennt, sie ist doch immer noch süchtig nach Neuem: Immer montags fährt sie zu Meetings in die Tupperware-Bezirksstelle nach Peißenberg und hält sich dort auf dem Laufenden. „Ihr Erfolg ist ihre Zuverlässigkeit“, ist sich Anton Hibler, der Ehemann, sicher. „Nie würde sie eine Veranstaltung absagen.“ Der ehemalige Buchdrucker erinnert sich gut: „Meine Frau war schwanger und das Baby kündigte sich an, doch statt die Party abzusagen, schickte sie mich hin.“ Rechtzeitig zur Geburt war er mit der Präsentation fertig.

Hermine Hibler weiß, dass sich ihre Gastgeberinnen auf sie verlassen, so wie Christina Schönmoser. Die 29-Jährige lädt in diesem Jahr schon zum vierten Mal ein – so wie einst schon ihre Großmutter und später ihre Mutter Rosa, Wirtin am Wank, die heute auch wieder dabei ist. „Tupperpartys mit Hermine haben bei uns Tradition“, sagt Christina. Besonders schön sei, dass man im Anschluss an die Vorführung immer noch beisammen sei und Zeit zum Ratschen habe.

Nach etwa 70 Minuten und über 20 Tupperware-Produkten ist Hermine Hibler mit ihrer Veranstaltung am Schluss angelangt. Christina Schönmoser und ihre Gäste blicken noch einmal auf die Bestelllisten in ihren Händen und beraten sich gegenseitig. Irgendetwas ist für jede dabei.

Der Spätzlehobel wird der Renner des Abends

Später wird Hermine Hibler 590 Euro in ihren Unterlagen notieren. So viel hat sie an diesem Abend umgesetzt und sie ist damit sehr zufrieden. Der Renner war, so hatte sie es ja bereits vermutet, der Spätzlehobel. Noch vor den Weihnachtsfeiertagen will sie ihre Kundinnen mit der bestellten Ware beliefern. Und auch für das nächste Mal haben sich Hermine Hibler und Christina Schönmoser schon verabredet: am 15. Dezember in einem Jahr, am gleichen Ort, zur gleichen Zeit.

Vanessa Assmann

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