Ein Jahr nach der Pleite: Quelle kommt ins Museum

NÜRNBERG - Ehemalige Mitarbeiter trafen sich im Centrum Industriekultur – Noch immer sind 788 ohne einen neuen Job.
Das gab’s noch nie in der Geschichte der deutschen Arbeitsverwaltung: Innerhalb von fünf Tagen wurden 2239 Meldungen von arbeitssuchenden Quelle-Mitarbeitern entgegengenommen. Die Behörde hatte nach der Insolvenz des Versandhauses am 20. Oktober 2009 eine eigene Außenstelle bei Quelle eingerichtet.
Das ist eine der vielen Geschichten, die rund um die große Pleite erzählt werden kann, die die gesamte Region von einem Jahr erschüttert hat. Das Museum Industriekultur Nürnberg hat bereits viele Stücke aus dem Quelle-Archiv und plant eine Ausstellung über das Versandhaus. Ehemalige Mitarbeiter trafen sich dazu am Freitag im Museum. Sie schrieben ihre ganz persönlichen Geschichten fürs Museum auf. Und hatten Erinnerungsstücke an ihre Zeit bei Quelle dabei. „Damit sind wir im positiven Sinn Heimatmuseum“, so Nürnbergs Museums-Chef Matthias Henkel.
Insgesamt waren von der Quelle-Pleite rund 4000 Menschen betroffen. Im Dezember 2009 waren 2300 Quelle-Mitarbeiter arbeitslos gemeldet. Viele hatten vorher einen anderen Arbeitsplatz gefunden. Ein Jahr später suchen 788 Quelle-Beschäftigte einen Job, 495 davon Frauen. Jede fünfte sucht eine Teilzeitarbeit. Von den 164 Azubis konnten alle ihre Ausbildung bei anderen Firmen fortsetzen. Rund 1000 Quelle-Mitarbeiter besuchten Qualifizierungs-Kurse.
"Restposten-Quartett" hat bereits neue Jobs gefunden
Sie bezeichnen sich als die „Restposten“ der Quelle. Anita Trappe (55), Ute Fischer (45), Monika Kaller (51) und Susanne Sarx (40) arbeiteten alle in der Personalabteilung und später dann in der Insolvenzabwicklung. Rund 10.000 Zeugnisse haben sie nach der Pleite noch geschrieben. Seit einigen Wochen sind sie nun selbst arbeitslos. Allerdings hat Anita Trappe nach 30 Bewerbungen ab Januar einen Job bei einem Sozialunternehmen gefunden. Ute Fischer, die 29 Jahre bei Quelle war, hat nun eine Arbeitsstelle bei einem fränkischen Traditionsunternehmen: „Ich hatte viel Glück, dass das geklappt hat.“ Susanne Sarx beginnt in am Montag einen befristeten Job. Monika Kaller haben die Umstände der Pleite so mitgenommen, dass sie krank geschrieben ist. Aber im Januar fängt sie bei einer Firma in Zirndorf an. Finanzielle Einbußen müssen alle hinnehmen.
Sie trauert noch immer der "Quelle-Familie" nach
Karin Scheindel (41) trauert der Quelle-Familie nach. 23 Jahre war sie beim Versandhauskonzern tätig. Die gelernte Hauswirtschafterin arbeitete sich bis in die Außenhandelsabteilung hoch. „Ich habe viele Abteilungen durchlaufen. Die Quelle war wie eine Familie für mich.“ Jetzt freut sie sich, ihre alten Kollegen wiederzusehen. „Solche Treffen wie hier im Museum finde ich gut.“ Wie bei jedem Familientreffen wird viel über die guten alten Zeiten gesprochen. Und über die weniger gute Gegenwart. „Aber geteiltes Leid ist halbes Leid. Das gibt seelische Unterstützung“, sagt sie. Sie war lange arbeitslos. „Wir mussten unser Leben total umstellen. Ich verdiente 700 Euro brutto weniger im Monat. Zum Glück hat mein Mann Arbeit.“ Inzwischen arbeitet sie bei einer Zeitarbeitsfirma. Doch ganz hat sie mit der Quelle noch nicht abgeschlossen. „Das geht wahrscheinlich erst, wenn ich wieder einen festen Job habe.“
Er wagt den Sprung in die Selbststänigkeit
Auf den Tag genau 39 Jahre hat Peter Danzer (58) bei der Quelle gearbeitet. Er war in der Buchhaltung tätig. Dass es mit dem Versandhaus nicht gut lief, wusste der Nürnberger. „Aber sie haben uns versprochen, dass es 2012/2013 besser wird.“ Von wegen. „Als ich im Radio von der Pleite erfuhr, war das schon ein Schlag.“ Wäre die einige Monate später gekommen, hätte er die Zeit bis zur Rente überbrücken können. So hieß es für den 58-Jährigen die Schulbank drücken. „Beim Kolping-Bildungswerk hatten wir sechs Monate Bewerbungstraining. Und wir lernten, mit dem Computer zu arbeiten.“ Eine neue Stelle hat er nicht. „Da bin ich zu alt.“ Aber er wagt nun den Sprung in die Selbstständigkeit. „Was soll ich sonst machen?“ Ab Januar konzipiert er Werbung für Gaststätten. Er gestaltet und verteilt dann Gastro-Gutscheine. „Ich habe das schon probiert. Das lief ganz gut. Man kann mich unter peter_danzer@web.de erreichen!“ Michael Reiner