Ein Jahr nach der Katastrophe: So trauert Bad Aibling
Bad Aibling - Punkt 6.45 Uhr setzt das Geläut ein. Der Klang der Kirchenglocken von Bad Aibling erinnert am Donnerstag auf die Minute genau an das Zugunglück mit zwölf Toten und Dutzenden Verletzten vor einem Jahr. Zur selben Zeit bekommen die Helfer der örtlichen Feuerwehr eine Textnachricht auf ihre Handys.
Es ist ein "Gedenkalarm", wie Ex-Feuerwehrkommandant Wolfram Höfler sagt, der den Einsatz am Unglücksort damals leitete. Die Lokführer in den Zügen der Bayerischen Oberlandbahn (BOB) hupen zur Erinnerung.
"Das Leben in Bad Aibling geht weiter"
Der oberbayerische Kurort ist aus der Schockstarre erwacht, in die ihn das verheerende Unglück versetzt hatte. "Es ist gut, dass wir am Jahrestag die Opfer, aber auch die vielen Helfer würdigen", sagt Bürgermeister Felix Schwaller (CSU) der Deutschen Presse-Agentur in seinem Arbeitszimmer im Rathaus.
"Das Leben in Bad Aibling geht weiter, aber die Erinnerung an die Toten und Verletzten des Unglücks bleibt." So ähnlich wird er es auch am Abend bei einer ökumenischen Andacht an der Gedenkstätte nahe der Unfallstelle sagen.
Beim Zusammenstoß von zwei Nahverkehrszügen am 9. Februar 2016 waren 12 Menschen ums Leben gekommen, 89 wurden teils lebensgefährlich verletzt. Vor zwei Monaten verurteilte das Landgericht Traunstein den Fahrdienstleiter der Deutschen Bahn (DB) wegen fahrlässiger Tötung zu dreieinhalb Jahren Haft. Der Mann hatte - vom verbotenen Handyspielen abgelenkt - Signale falsch gestellt. Angehörige und Verletzte geben jedoch auch der Bahn selbst eine Mitschuld, weil sie es versäumt habe, die Signaltechnik auf der Strecke zu modernisieren.
Ein Jahr nach Bad Aibling: Und die Bahn tut – nichts
Am Denkmal - es ist ein rostiger Eisenkoloss - liegen Tulpen und Rosen, es brennen Kerzen. "Der Bayerische Ministerpräsident" steht auf den weiß-blauen Schleifen eines Blumengebindes. Ein am Sockel des Denkmals wohl von einem Angehörigen abgelegter Stein hat die Aufschrift: "Warum, Warum? Dein Lachen, Deine Liebe, noch so viel mehr, wir vermissen Dich so sehr."
Am Vormittag kommt eine Frau mit Zwillingen im Kinderwagen an das Denkmal. Sie legt Tulpen nieder und zündet eine Kerze an. "Ich habe heute Geburtstag", sagt die 33-Jährige, die im Nachbarort Kolbermoor nur wenig entfernt vom Unfallort wohnt. Ihren 32. Geburtstag am Tag des Zugunglückes "werde ich nie vergessen". Bisher habe sie sich nicht an das vorigen Herbst eingeweihte Denkmal gewagt, "aber zum Jahrestag wollte ich herkommen".
Gestörte Ruhe am Jahrestag
Auch an der mehrere Hundert Meter entfernten Unfallstelle liegen Blumen, brennen Kerzen. "Lieber Gott, bitte gib Trost und Kraft, hilf" steht auf einer kleinen Tafel an einem schlichten Kreuz. Ausgerechnet am Jahrestag der Katastrophe laufen jedoch Baumfällarbeiten. Motoren lärmen, Traktoren versperren den ohnehin schmalen Weg zu dem "Marterl", wie in Bayern Kreuze am Wegesrand zur Erinnerung an Tote heißen.
Vor dem Rathaus verkaufen Händler frische Lebensmittel, aus einem Wagen zieht der Geruch frischer Brathendl über den Platz. Peter Berghammer sitzt hinter seinem Käsesortiment. "Es ist einer der schwärzesten Tage in Bad Aibling", sagt der 71-Jährige mit Blick auf jenen Faschingsdienstag 2016.
Es hätte viel schlimmer kommen können
Er erinnert aber auch daran, dass alles noch viel schlimmer hätte kommen können. Es waren Schulferien, viele Berufstätige hatten sich freigenommen, der Unglückszug war nicht voll besetzt. "Nicht auszudenken, wie viele Tote es gegeben hätte, wenn das Unglück an einem anderen Tag passiert wäre", sagt Berghammer.
Erst am Abend war an der Gedenkstätte eine ökumenische Andacht geplant. Die Ortspfarrer wollten dabei Gebete sprechen, dazwischen sollte eine Bläsergruppe besinnliche Musikstücke spielen. Für die Bundesregierung hatte sich Staatssekretär Norbert Barthle (CDU) aus dem Verkehrsministerium angesagt, für den Freistaat Bayern Vize-Ministerpräsidentin Ilse Aigner (CSU). Zu der Andacht wollten auch Angehörige der Todesopfer, Verletzte und Helfer kommen.
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