Ein Jahr nach dem Quelle-Aus: Die meisten haben wieder Jobs
Vor allem die Jüngeren fanden schnell wieder eine Stelle. Fürths OB Jung ist erleichtert: „Die Katastrophe ist ausgeblieben.“
NÜRNBERG/FÜRTH Als die Quelle starb, herrschte in der Region Nürnberg pure Angst und Verzweiflung: Mitarbeiter weinten in der Öffentlichkeit, Politiker standen der Situation hilflos gegenüber, Experten befürchteten Arbeitslosenquoten von weit über zehn Prozent. Genau ein Jahr danach haben viele der gekündigten Quelle-Mitarbeiter wieder einen Job, neues Leben füllt die aufgegebenen Gebäude, und der Fürther Oberbürgermeister Thomas Jung (SPD) sagt erleichtert: „Wir stehen jetzt eigentlich besser da als in der Zeit mit der Quelle. Die befürchtete Katastrophe ist ausgeblieben.“
In einer ersten Kündigungs-Welle sollten 3700 der 10.500 Quelle-Mitarbeiter gehen. Es reichte nicht. Nach wochenlangem Hoffen und Bangen verkündete der Insolvenzverwalter am 19. Oktober 2009 kurz vor Mitternacht das endgültige Ende. Hektisch richtet die Arbeitsagentur eine Dependance im Nürnberger Versandzentrum an der Fürther Straße ein, allein in der ersten Woche melden sich dort 2200 Betroffene arbeitslos. Wie viele genau wegen der Quelle-Pleite gehen mussten, ist bis heute unklar, so chaotisch waren die Zustände damals. Sicher ist, dass rund 4000 Vollzeitstellen wegfielen.
In den Statistiken ist der Untergang des Traditionsunternehmens jedoch kaum noch zu sehen: Nach einem vorübergehenden Anstieg liegt die Arbeitslosenquote in der Region derzeit bei 5,7 Prozent und damit auf einem besseren Wert als vor der Quelle-Pleite. Konkret sind heute noch 781 ehemalige Quelle-Mitarbeiter arbeitslos oder in Maßnahmen „geparkt“.
Besonders hart getroffen hat die Abwicklung des Traditionsunternehmens ältere Ex-Quelle-Beschäftigte. Andere haben aus der Not eine Tugend gemacht und neue Wege beschritten. Ein Jahr nach dem Quelle-Aus macht sich beispielsweise Edith Rilki (62) aus Fürth keine Illusionen: „In dem Alter nimmt mich keiner mehr. Jeder Personalchef fühlt sich doch verarscht, wenn ich mich bei dem um eine Stelle bewerbe.“ Beim Arbeitsamt werde die Ex-Betriebsrätin nur „verwaltet“. Ein Jobangebot hat sie bislang nicht.
„Ich habe so viel Erfahrung und Wissen"
Wie viele ihrer Kollegen hatte Edith Rilki jahrzehntelang bei Quelle gearbeitet. 1973 begann sie als kaufmännische Angestellte. Was war beim Quelle-Niedergang am schlimmsten: „Diese ständige Hin und Her. Immer wieder wurde uns neue Hoffnung gemacht.“
Ex-Kollegin Jutta Reck (46) zeigt sich aber auch nach 150 erfolglosen Bewerbungen keineswegs mutlos: „Ich habe so viel Erfahrung und Wissen, ich bin ohne weiteres in der Lage, ein Lager zu leiten.“ Derzeit frischt sie bei einem vom Arbeitsamt finanzierten Kurs ihre Englischkenntnisse auf – mit drei früheren Kolleginnen. Bei Quelle hat sie in 29 Jahren eine richtige Karriere hingelegt. „Wenn Quelle nicht pleite gegangen wäre, hätte ich gute Chancen gehabt, in ein paar Jahren Betriebsleiterin zu werden.“ Und Jutta Reck bewirbt sich unablässig weiter. Für einen neuen Job wäre die alleinerziehende Mutter auch bereit, ihre Heimstadt Fürth zu verlassen.
Stefan Kugler (43) veranlasste das Quelle-Aus zu einer beruflichen Neuorientierung. Der Fürther, der sich zuletzt um Kundenreklamationen bei Möbellieferungen kümmerte, arbeitet seit dem 1. April als Berufsmusiker. Er spielt in drei Bands und komponiert. Wenn Musikgruppen für Auftritte oder bei CD-Produktionen einen Bassisten brauchen, verdingt er sich als „Leihmusiker“. Dabei hatte er so ein Leben nie angestrebt.
Sabine Schweiger (39) hat dagegen schnell einen neuen Job gefunden. Die frühere Quelle-Vorstandssekretärin arbeitet als Sekretärin in der Chefetage eines großen Nürnberger IT- Unternehmens. Lediglich einen Monat lang war sie arbeitslos.
Zu verdanken hat sie das möglicherweise auch einer pfiffigen Idee. Mit vier anderen Sekretärinnen engagierte sie einen Fotografen und ließ sich gemeinsam mit ihnen professionell ablichten. Auf Plakatwänden priesen sich die fünf Frauen später großformatig als die „Five Secretaries“ an. Nachdem auch die Medien über die Aktion berichtet hatten, stand bei ihnen das Telefon nicht mehr still. Alle fünf haben inzwischen wieder einen Job. dpa/azn
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