Ein Imageproblem? Hunderte kirchliche Stellen fallen weg

München (dpa/lby) - In den großen Kirchen in Bayern werden in den kommenden Jahren Hunderte Stellen in der Seelsorge wegfallen. Das ergab eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur unter den katholischen Bistümern im Freistaat und der evangelischen Landeskirche. Der Rückgang betrifft dabei nicht nur den bekannten Priestermangel. Auch Gemeinde- und Pastoralreferenten werden knapp.
Im größten katholischen Bistum in Bayern, dem Erzbistum München und Freising, fallen bis 2030 schon Hunderte Stellen weg, Dutzende im Erzbistum Bamberg. Das Bistum Würzburg rechnet in den kommenden zehn Jahren mit einem Rückgang des "pastoralen Personals", zu dem neben Priestern auch Diakone sowie Gemeinde- und Personalreferenten gehören, um bis zu 30 Prozent. Im Bistum Passau geht die Zahl nach Angaben eines Sprechers nur "leicht" zurück.
In näherer Zukunft könne die evangelische Landeskirche in Bayern ihre Stellen zwar noch besetzen, sagte Sprecher Johannes Minkus. Es sei aber möglich, dass "in der weiteren Zukunft zu wenig Personal zur Verfügung stehen könnte, da die Nachwuchszahlen die Zahlen der Ruhestandseintritte dauerhaft nicht aufwiegen werden".
"Der Fachkräftemangel trifft auch die Kirchen - und das trifft nicht nur den Priesterberuf, sondern auch den des Gemeindereferenten", sagte Dominik Enste, Leiter des Kompetenzfeldes Verhaltensökonomik und Wirtschaftsethik am Institut der deutschen Wirtschaft in Köln.
Konkret sieht die Situation in einzelnen Bistümern so aus: Das katholische Erzbistum Bamberg geht davon aus, dass im Jahr 2030 insgesamt noch 154 Priester im Bistum arbeiten. Das sind 40 weniger als 2015. Auch die Zahl der Pastoral- und Gemeindereferenten werde in dem Zeitraum deutlich sinken - von 222 auf 190.
Im Bistum München und Freising soll in den kommenden zehn Jahren sogar jede vierte Stelle in der Seelsorge wegfallen, wie das Bistum schon im Februar mitteilte. Grund dafür ist ein eklatanter Fachkräftemangel, wie Bistumssprecher Christoph Kappes sagte. Demnach besteht nicht nur ein Priestermangel, sondern auch ein großer Mangel an Pastoral- und Gemeindereferenten sowie Diakonen. "Unter den Pastoralreferenten sind viele Babyboomer - und die gehen jetzt in Rente", sagte Kappes.
Bislang sind für die Seelsorge 1200 Stellen eingeplant. Diese sollen sich bis 2030 auf 891 reduzieren. Statt derzeit etwa 600 Priester arbeiten künftig voraussichtlich nur noch 400 in der Erzdiözese. "Es ist nicht so, dass alle Stellen Schlag auf Schlag gestrichen werden", betonte Kappes auf Nachfrage. Allerdings würden beispielsweise durch Ruhestand frei werdende Stellen nicht nachbesetzt.
Im Bistum Augsburg sind nach Angaben eines Sprechers derzeit schon 15 Stellen unbesetzt. Das Bistum will - wie viele andere Bistümer auch - künftig stärker für Berufe in der Seelsorge werben. Gemeinsam mit der Erzdiözese München und Freising finanziert das Bistum seit 2014 den Bachelor-Studiengang Religionspädagogik und kirchliche Bildungsarbeit in Benediktbeuern. Einige Bistümer planen, den Bereich der Seelsorge auch beispielsweise für Psychologen und Sozialpädagogen als Quereinsteiger zu öffnen.
In Würzburg, wo 30 Prozent der Beschäftigten laut Prognose wegfallen, sieht man die Gründe für Engpässe in der Seelsorge ebenfalls nicht nur im fortschreitenden Priestermangel, "dessen Spitze wir bei weitem noch nicht erreicht haben", wie ein Sprecher sagt. "Die Überalterung der anderen pastoralen Berufsgruppen nimmt fortschreitend zu." 62 Prozent der Pastoralreferenten sei älter als 50 - "und eine große Anzahl von Verrentungen stehen an". An Nachwuchs allerdings fehlt es. "Dies hängt wohl mit dem Image der Kirche zusammen", sagt der Würzburger Bistumssprecher - und so sieht es auch der Wirtschaftsexperte Enste.
Seinen Angaben zufolge sind die beiden großen Kirchen mit der Caritas und der Diakonie die mit Abstand größten Arbeitgeber in Deutschland. "Die Kirchen sind als Arbeitgeber attraktiv, sofern die Kultur oder die Religion für die Bewerber eine relevante Rolle spielt, sagt er. Und die Seelsorge werde in einer immer älter werdenden Gesellschaft eigentlich immer wichtiger. "Allerdings hat das Image gerade der katholischen Kirche in den letzten Jahren deutlich gelitten." Das liege nicht nur am Missbrauchsskandal - "sondern auch an Unflexibilität an anderer Stelle und einem sehr harschen Umgang mit Mitarbeitern, wenn es um Kündigungen geht und man nicht mehr den Ansprüchen der Kirche genügt, weil man geschieden oder wiederverheiratet ist".