Ein Gummiband, das alle Konflikte bündelt
NÜRNBERG - Von der Bestseller- Liste auf die Bühne: Eric-Emmanuel Schmitts „Kleine Eheverbrechen“ kommt im Kulturforum.
Ein Erfolgsautor, der mit seinem Krimi über „Kleine Eheverbrechen“ die Bestseller-Listen stürmte, hat nach einem Unfall das Gedächtnis verloren – und wird von seiner Frau sachte zurückgeführt in die Realität. Aber ist das wirklich die Ehefrau, war das tatsächlich sein früheres Leben? Eric-Emmanuel Schmitt, selber ein spartenübergreifender Star-Literat (Omar Sharif spielte im Film seinen „Monsieur Ibrahim“, Elke Sommer auf der Bühne seine „Madame Rosa“), machte daraus ein Dialog-Gefecht für zwei Schauspieler. Werner Müller inszeniert es im Fürther Kulturforum (am 5.02 ist Premiere) mit seinen Nürnberger Dauer-Leihgaben Michaela Domes und Rainer Matschuck, die bei ihm bereits „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ und Beckett-Szenen spielten.
Herr Müller, Ihr Spielzeit-Motto lautet „Tatort Theater“. Alles Krimi oder was?
WERNER MÜLLER: Es geht uns um die dunklen Seiten der Existenz, und dazu gehört auch dieses virtuose Partnerschafts-Kleinformat mit wendigen Plots und spritzigen Dialogen.
Schmitt ist in Frankreich weltberühmt, in Deutschland eher als seelenstreichelnder Buchautor geschätzt. Wie betulich-philosophisch muss er auf der Bühne bleiben?
Hoffentlich gar nicht! Sicher, manchmal scheint ihm seine ungeheure Fabulierkunst fast im Wege zu stehen. Doch im Unterschied zum Buch, das zuerst erschien, gibt das Spiel mit lebendigen Menschen der Sache ein ganz anderes Tempo.
Wie denn das?
Was vorgeführt wird, muss nicht mehr erzählt werden. So entsteht trotz der Erzähl-Ebene, die vom Buch geblieben ist, ein schlankes, dynamisches Stück, das Schuld und Lüge einer Beziehung zeigt.
Haben Sie das nicht mit „Virginia Woolf“ in gleicher Besetzung längst getan?
Da gibt es große Unterschiede. Wo bei Albee der ritualisierte Schlagabtausch schmerzhaft wie bei Ibsen oder Strindberg abläuft, sehen wir hier taffen, intelligent vergnüglichen Boulevard. Die harte Auseinandersetzung ist nicht vorgeplant, sie findet geistesgegenwärtig statt.
Botschaft inbegriffen?
Klar: Ohne Liebe funktioniert nichts! Die Überlegung, ob es darüber hinaus etwas gibt, mit dem es im Zusammenleben weitergehen kann, führt in ein offenes Ende. Eindeutigkeit kann nicht unser Ziel sein.
Also geht's bei der Auseinandersetzung auch nicht um die große Poesie-Konkurrenz von Sein und Schein?
Der metaphysische Untergrund ist einfach nicht da, eher ein Gummiband, mit dem der Konflikt ständig auf und zu gezogen wird.
Sie inszenieren im Kulturforum. Was ist da für Sie anders als im Stadttheater?
Der Zusammenprall passiert im offenen Raum, ungeschützt dicht am Zuschauer. Und im Kulturforum ohne Abo muss jede Produktion das Publikum neu erobern. D.S.
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