Ein Gift frisst sich durch Bayern

Die Wirkung setzt wenige Minuten nach der Einnahme ein, das Ego wächst, alle Sorgen verschwinden, ein Gefühl der Unbesiegbarkeit breitet sich aus – so beschreiben Crystal-Meth-Abhängige ihren Rausch. Genau diese Wirkung und die Tatsache, dass Crystal Meth billig zu haben und leicht herzustellen ist, machen die Droge, die so harmlos aussieht wie Kandiszucker, so gefährlich.
Körperlicher Verfall, Depressionen, Psychosen – das sind nur drei der Nebenwirkungen von Crystal Meth. Doch die Ausbreitung scheint nicht zu stoppen zu sein. Recherchen des "Bayerischen Rundfunks" haben jetzt alarmierende Zahlen ans Licht gebracht, die zeigen, dass sich die synthetische Droge in den vergangenen Jahren im Freistaat rapide ausgebreitet hat.
Crystal-Funde in fast allen Landkreisen des Freistaats
Lange Zeit war es so, dass sich die Drogenfunde vor allem auf den bayerisch-tschechischen Grenzraum beschränkt hatten. Die Billig-Märkte jenseits der Grenze galten als Hauptumschlagplatz. Crystal war hier zwischen gefälschten Marken-Jeans und Zigarettenstangen leicht zu bekommen. Doch das Problem hat sich ausgeweitet. Laut „BR“-Recherche hat die bayerische Polizei in den vergangenen acht Jahren Crystal Meth nicht mehr nur in den Grenzregionen zu Tschechien sichergestellt, sondern in fast allen Landkreisen im Freistaat. Besonders betroffen ist der Raum Nürnberg. Allein in der Stadt Nürnberg sollen Polizeibeamte zwischen 2008 und 2015 mehr als acht Kilo der Droge sichergestellt haben. Das entspricht etwa 80 000 Konsumeinheiten. Weitere 4,7 Kilogramm waren es im angrenzenden Fürth und im Landkreis Nürnberger Land. Zum Vergleich: Im gleichen Zeitraum wurden in München nur 410 Gramm Crystal Meth sichergestellt.
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Crystal Meth hat sich mittlerweile in ganz Bayern und in nahezu allen Gesellschaftsschichten ausgebreitet. Die Zahl der Crystal-Konsumenten ist in den vergangenen drei Jahren gestiegen oder zumindest gleichgeblieben. Eine „BR“-Umfrage unter Suchtberatungsstellen in Bayern hat ergeben, dass viele Konsumenten berufstätig sind. Die Palette reicht von Bankern über Gerüstbauer und Kurierfahrer bis zu Bauarbeitern. Auch Studenten und Meisterschüler greifen auf Crystal Meth zurück. Ein Drittel der Beratungsstellen hat außerdem Schwangere betreut, die die Droge konsumiert haben. Hilfe suchten auch Akademiker, die nicht mehr ohne Crystal leben konnten. 40 Prozent aller Beratungsstellen haben das bestätigt. Auch die Zahl der Todesfälle, die mit Crystal Meth in Verbindung stehen, ist seit 2010 angestiegen und summiert sich inzwischen auf insgesamt 100.
Die Zahl der Funde und die sichergestellten Mengen sind in den vergangenen Jahren extrem gestiegen. Polizeibeamte haben in Bayern in dieser Zeit 48 illegale Crystal-Labore ausgehoben. Das belegen Auszüge aus einer Polizeidatenbank für Drogenfunde, die der „BR“ ausgewertet hat. Zahlen des Zolls bestätigen auch, dass immer mehr Crystal nach Bayern geschmuggelt wird. ver