Ein ganzes Dorf jagt den Gummistiefel-Fetischisten

Mit seinen bizarren Vorlieben belästigte der Unbekannte im beschaulichen Winterhausen bei Würzburg sogar schon die Frau des Bürgermeisters
von  Abendzeitung

Mit seinen bizarren Vorlieben belästigte der Unbekannte im beschaulichen Winterhausen bei Würzburg sogar schon die Frau des Bürgermeisters

WÜRZBURG Gummistiefel! Auf einen großen und schlanken Mann, von dem es nur eine vage Beschreibung gibt, üben die elastischen Treter eine magische Anziehungskraft aus. Immer wieder verschwinden in der 1600-Seelen-Gemeinde Winterhausen vor den Toren Würzburgs Gummistiefel, die Frauen gehören. Weil die Diebstahlserie kein Ende nimmt, ist jetzt sogar die Polizei hinter dem Fetischisten her.

Karola Mann, die Frau des Bürgermeisters, wurde schon zweimal mit der ungewöhnlichen sexuellen Vorliebe des Unbekannten konfrontiert. Früh, als sie die vor der Haustür abgestellten Stiefel anziehen wollte, waren sie weg. So ist es auch anderen Frauen in Winterhausen ergangen.

„Der Diebstahl der Stiefel an sich regt mich nicht so sehr auf“, sagte die Bürgermeister-Gattin zur AZ. Was sie viel mehr beunruhigt: „Wer meine Stiefel geklaut hat, musste heimlich unser Grundstück betreten und dann eine Treppe hinauflaufen. Das ist kein gutes Gefühl, wenn man damit rechnen muss, dass einer ums Haus schleicht.“

Während Fetischismus vor noch nicht allzu langer Zeit als perverse Störung eingestuft wurde, halten Wissenschaftler die sexuelle Ausrichtung eines Menschen auf ein bestimmtes Objekt heute eher für eine harmlose Marotte. Chefarzt Dr. Michael Wörthmüller, der im Erlanger Bezirkskrankenhaus oft mit Sexualstraftätern zu tun hat: „Solange der Fetischismus andere Menschen nicht verletzt oder beeinträchtigt, besteht keine Notwendigkeit einer Behandlung. Wenn einer durch Damenstiefel oder einen anderen Gegenstand sexuell stimuliert wird, und der Partner nichts Anstößiges daran entdecken kann, muss es niemanden interessieren.“

Kritisch wird es nach seinen Worten erst, wenn der Fetischist unter seinen Neigungen leidet oder so darauf fixiert ist, dass der Fetisch Sex mit einem lebendigen Partner komplett ersetzt. Dann ist nach Wörthmüllers Überzeugung eine Therapie angebracht.

Auch der Sexualtherapeut Dr. Andreas Rose aus Fürth hält die meisten Fälle für nicht behandlungsbedürftig. Er sieht ein ganz anderes Problem. „Wie“, so fragt er, „reagiert der Dieb, wenn er auf frischer Tat ertappt wird?“

Diese Frage stellen sich auch Karola Mann und die anderen Frauen in Winterhausen. Sie hoffen, dass es nicht zu Gewalttätigkeiten kommt – und dass der Spuk bald ein Ende findet. Das kann gut sein, denn womöglich hat der Gummisstiefel-Fetischist einen entscheidenden Fehler gemacht. In einem Würzburger Anzeigenblatt erschien dieses Inserat: „Suche Frau, die sich in Gummistiefeln fotografieren lässt. Kein Sex.“ Bürgermeisters-Gattin Karola Mann hält es für gut möglich, dass der Stiefeldieb hinter der Anzeige steckt.

Helmut Reister

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