Eigenanteile: Wird die Pflege unbezahlbar?

Über 300 Euro mehr im Monat müssen Heimbewohner laut dem Bayerischen Roten Kreuz künftig zahlen. Es sendet ein SOS an die Politik.
Lisa Marie Albrecht |
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Die Eigenanteile in Bayern sind schon jetzt hoch - steigen sie weiter, dürfte es für viele eng werden.
Die Eigenanteile in Bayern sind schon jetzt hoch - steigen sie weiter, dürfte es für viele eng werden. © imago stock&people

München - Gut versorgt sein, wenn man im Alter Betreuung benötigt - das wünscht sich jeder. Doch angesichts von Inflation sowie enormer Preissteigerungen im Energie-, Personal- und Lebensmittelsektor kämpfen Seniorenheime mit explodierenden Kosten, die in Zukunft auch in einem hohen Maße Pflegebedürftige treffen könnten.

300 Euro pro Monat an Mehrkosten

Das Bayerische Rote Kreuz (BRK) warnt auf Basis einer Erhebung, die der AZ exklusiv vorliegt: Deutlich über 300 Euro mehr Eigenanteil pro Monat drohen Pflegebedürftigen im Freistaat künftig. Dies hat das BRK anhand interner Daten und Rückmeldungen aus eigenen Einrichtungen berechnet. "Das sind besorgniserregende Kostenexplosionen, die keine Pflegebedürftige und kein Pflegebedürftiger wegstecken kann", sagte BRK-Präsidentin Angelika Schorer der AZ.

Warum wird ein Platz im Pflegeheim teurer?

Grund für die enorme Steigerung sind dem BRK zufolge vor allem gestiegene Personal- und Energiekosten, welche Einrichtungen an die Bewohner weitergeben. So seien seit 1. September den internen Daten zufolge Strom- und Gaskosten der Pflegeeinrichtungen um teils 80 Prozent gestiegen - spätestens zum Jahreswechsel geht man sogar von über 100 Prozent aus. Die hohen Energiepreise erzeugten schon jetzt Mehrkosten von etwa 3,20 Euro pro Bewohner und Tag, so das BRK.

Gehalt der Pfleger steigt, Inflation und teurere Lebensmittel

Den größten Posten in der Rechnung machen allerdings die Personalkosten aus, nämlich etwa 60 bis 70 Prozent: Weil Tariflöhne aufgrund der hohen Inflationsrate angehoben werden mussten, schlüge dieser Faktor bereits mit Mehrkosten von sieben Euro pro Bewohner und Tag zu Buche. In puncto Lebensmittelpreise - die um etwa 15 Prozent gestiegen sind - rechnet das BRK mit einem täglichen Aufschlag von 70 Cent pro Bewohner. In Summe ergeben sich somit tägliche Mehrkosten zwischen neun und zwölf Euro, abhängig vom Pflegegrad.

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Bei einer Einrichtung mit 66 Bewohnerinnen und Bewohnern müssten die Pflegebedürftigen also Mehrkosten beim Eigenanteil in Höhe von 366 Euro pro Monat stemmen - beziehungsweise 4.390 Euro pro Jahr.

Was könnte man gegen steigende Kosten machen?

Das Problem, so erläutert Schorer: "Die Einrichtungen bekommen die enormen Mehrkosten bei Personal, Energie und Lebensmitteln derzeit nicht refinanziert" - und hätten somit de facto keine andere Wahl, als sie in Form von höheren Eigenanteilen weiterzugeben. Die einzige Chance, um dies zu verhindern, wäre, bestehende Verträge der Einrichtungen mit den Kostenträgern aufzukündigen und angemessenere Pflegesätze zu verhandeln, wie von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vorgeschlagen. Dabei gehen jedoch dem BRK zufolge Kostenträger nicht mit - da diese keinen hinreichenden Anlass sehen, von einem solchen Sonderkündigungsrecht Gebrauch zu machen.

Das alles geschieht vor dem Hintergrund, dass die Eigenanteile in Bayern ohnehin gestiegen sind: Lagen sie am 1. Januar dieses Jahres dem Verband der Ersatzkassen zufolge noch in einer Spanne zwischen 1.429 bis 2.125 Euro, beliefen sich die selbst zu zahlenden Kosten ab 1. Juli schon auf 1.457 bis 2.182 Euro - eine Steigerung um zwei bis 2,7 Prozent.

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BRK-Präsidentin Schorer ist alarmiert: " Wenn nicht schnell eine echte Entlastung für Pflegebedürftige und -einrichtungen kommt, werden viele Einrichtungen schließen müssen und viele Pflegebedürftige werden sich die professionelle Pflege nicht mehr leisten können." Das BRK fordert einen sofortigen Energiezuschlag für Pflegeeinrichtungen. Schorer verweist auch darauf, dass pflegende Angehörige von den Entlastungen der Bundesregierung bisher nicht profitierten. "Der Sozialstaat ist nun gefordert."

Auch Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) hatte in der AZ und am Dienstag im Kabinett bereits auf die prekäre finanzielle Lage im Gesundheitswesen verwiesen und vor einem "Blackout" gewarnt.

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5 Kommentare
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  • chgmuc am 16.09.2022 11:55 Uhr / Bewertung:

    Da fragt man sich warum man 40 Jahre und mehr in die Pflegekasse einbezahlt, die dann geplündert werden von anderen!

  • Bongo am 17.09.2022 07:51 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von chgmuc

    Nicht ärgern, das ist politisch so gewollt!

  • Heinrich H. am 15.09.2022 10:37 Uhr / Bewertung:

    Nicht nur die Pflege auch die " Altenheime " gehören Reformiert, soviel wie möglich Pflege zu Hause und aus den Altenheime kann man auch Alten WG`s machen, mehr für einander statt gegen einander, da sollte natürlich unser Staat auch nicht Abseits stehen, die Grundversorgung der Bevölkerung sollte oberste Priorität haben, vor allem anderen !!!

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