Ehemaliges KZ-Außenlager wird zum Asylbewerberheim

90 Asylbewerber ziehen in ein ehemaliges Außenlager des KZ-Dachau bei Augsburg  – Charlotte Knobloch ist entsetzt: „Indiskutabel!“
Helmut Reister |
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Häftlinge des Konzentrationslagers Dachau bei der Herstellung von Waffen.
dpa Häftlinge des Konzentrationslagers Dachau bei der Herstellung von Waffen.

München - Eigentlich unfassbar: ein Außenlager des ehemaligen Konzentrationslagers von Dachau wird zum Asylbewerberheim. In den Räumlichkeiten, in denen während der NS-Zeit bis zu 2000 Zwangsarbeiter schuften mussten, werden einem einstimmigen Beschluss des Stadtrates zufolge bald 90 Asylbewerber untergebracht.

„Die Stadt Augsburg ist sich der sensiblen Historie des Gebäudes „Halle 116“ sehr wohl bewusst“, heißt es in einer offiziellen Erklärung. Dieses Bewusstsein drücke sich unter anderem dadurch aus, dass die Stadt seit geraumer Zeit einen Prozess in Gang gesetzt habe, die „Halle 116“ zu einem „Lern- und Denkort Frieden“ zu machen. Allerdings, so erklärte eine Rathaus-Sprecherin, bestehe angesichts der angespannten Asylbewerber-Situation „Handlungsbedarf in den Kommunen“.

Karl Freller ist stellvertretender Fraktionschef der CSU im Landtag, Staatssekretär im Kultusministerium und Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten, zu der auch das ehemalige Konzentrationslager Dachau gehört. Er ist alles andere als begeistert von der Entscheidung der Augsburger Kommunalpolitiker: „Da hätte es auch eine andere Möglichkeit geben müssen.“

Stiftung nicht in die Diskussion eingebunden

Sauer ist Freller in seiner Funktion als Stiftungsdirektor auch noch aus einem anderen Grund. „Wir wurden nicht in die Diskussion und die Entscheidungswege mit eingebunden“, kritisiert er die Linie der Augsburger Entscheidungsträger. Mit „wir“ meint er auch die Leiterin der Dachauer Gedenkstätte, die ebenfalls erst aus der Zeitung von den Absichten der schwäbischen Metropole erfahren habe. Und darüber, gelinde gesagt, alles andere als erfreut sei.

Das Argument, dem am Ende alle Fraktionen beipflichteten, hatte Oberbürgermeister Kurt Gribl vorgegeben: „Was hätte ein Denk- und Lernort Frieden für einen Sinn, wenn er ausgerechnet Menschen in Not verwehrt wäre und es man nicht fertig brächte, diesen Menschen zu helfen? Es wäre ein scheinheiliger Denkort.“

Die etwas gequält wirkende Rechtfertigung des Augsburger Stadtoberhauptes griffen auch die anderen Stadträte auf. Grünen-Vertreterin Antje Seubert verstieg sich – Berichten der Lokalpresse zufolge – sogar zu der Behauptung, dass die Entscheidung „ein Sieg über den Faschismus“ sei.

Charlotte Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München, reagiert mit Entsetzen auf die beschlossenen Pläne, Asylbewerber in dem ehemaligen KZ-Außenlager unterzubringen. „Das ist ein völlig indiskutabler Vorgang, das Ende der dringend notwendigen Erinnerungskultur“, erklärte sie. Gerade in Zeiten, in denen Antisemitismus und Rassismus wieder Hochkonjunktur hätten, sei dies ein „verheerendes Zeichen“, eine Missachtung verfolgter Menschen.

Während sich die Augsburger bereits entschieden haben, wird in Schwerte (Nordrhein-Westfalen) noch nach einer Entscheidung gesucht. Dort wird in Erwägung gezogen, Asylbewerber in einem ehemaligen Außenlager des KZ Buchenwald unterzubringen. Dort ist die Lage etwas anders. Die Baracke wurde nach dem Krieg neu errichtet und zuletzt von Künstlern genutzt.

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