Druck auf die Gefühlstube

Das junge österreichische Quintett „5/8erl in Ehr’n“ belebt das Wienerlied neu - am 2. August auch beim Nürnberger Bardentreffen. Die AZ verlost außerdem CDs.
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Jammern als Wiener Antwort auf den Soul: Das Quintett „5/8erl in Ehr’n“ mit Hanibal Scheutz (re.) verhilft dem Wienerlied zur Renaissance – erstmals auch in Nürnberg.
Bardentreffen Jammern als Wiener Antwort auf den Soul: Das Quintett „5/8erl in Ehr’n“ mit Hanibal Scheutz (re.) verhilft dem Wienerlied zur Renaissance – erstmals auch in Nürnberg.

NÜRNBERG - Das junge österreichische Quintett „5/8erl in Ehr’n“ belebt das Wienerlied neu - am 2. August auch beim Nürnberger Bardentreffen. Die AZ verlost außerdem CDs.

Bei ihnen wird gesudert, also gejammert, was das Wienerlied und das Weiße Rössl hergeben: „Es muss was Wunderbares sein“ singen sie und dass der Sigismund nichts dafür kann, dass er so schön ist. „5/8erl in Ehr’n“ nennt sich ein österreichisches Quintett, das den Soul hüfttief in den Schmäh taucht. Einer der Songwriter ist Kontrabassist Hanibal Scheutz, der musikalisch erblich vorbelastet ist. Sein Vater Wilfried Scheutz war als „Reißnageltenor“ einst die Stimme der Ersten Allgemeinen Verunsicherung, besang die „Highdelbeeren“ und ist nun ein Viertel der Vokal-Comedians 4xang. Wir sprachen mit Hanibal Scheutz.

AZ: Herr Scheutz, was ist in Ihrer Jugend schiefgelaufen, dass Sie sich jetzt unverblümt zu Peter Alexander und dem „Weißen Rössl“ bekennen?

HANIBAL SCHEUTZ: Das war eher eine Zeitlang unser Anliegen, weil wir durch die Instrumentierung – akustische Gitarre, Akkordeon, akustischer Bass, zwei Sänger – in Richtung Wienerlied gegangen sind. Das hatte auch mit den beiden Sängern zu tun, von denen einer etwa sehr viel Heimatfilme angeschaut hat. Aber von diesem Ansatz entfernen wir uns momentan.

Wie sind Sie auf das Wienerlied gekommen, das ja wohl kaum hip ist heute?

Ich glaube, dass wir auf den Sound gestanden sind. Und dann sind Max Gaier und Bobby Slivovsky, die Sänger, zwei Romantiker vom Fach. Die Lieder schreiben sich augenblicklich von selbst. Das hat sich einfach so ergeben. Es ist eine musikalische Fügung.

Was ist denn der eigentliche Background?

Schwer zu sagen. Auf alle Fälle der Soul. Eine Wiener Zeitung schrieb mal, dass wir klängen, als hätte man Stevie Wonder in der Sachertorte geraucht. Wir haben ja alle Jazz studiert, ich etwa aber habe abgebrochen, weil mir das zu schubladisierend war. Ich habe immer Songs geschrieben. Das Schöne an Wien ist ja, dass es aus sich heraus immer Szenen gebiert. Wie etwa die „Viennese Soulfood“-Festivals, die wir mit Malern, Fotografen, Videokünstlern veranstalten.

Wo muss man „5/8erl“ zuordnen, dem Volkslied oder der Satire?

Nur die Instrumentierung spricht für die Volkslied-Tradition. Ich kann uns nur schwer zuordnen. Wir wehren uns momentan auch dagegen, uns einem gewissen Genre unterzuordnen. Man versucht immer wieder uns in Schubladen reinzustecken. Aber da klemmen wir. Bei den Wienerlied-Festivals passen wir auch nicht rein.

Sagen Sie bloß, das gibt’s noch jenseits der Touristen-Beschallung?

Das lebt momentan wieder auf. Man versucht das so, wie vor 50 Jahren gearbeitet wurde, dass einfach neue Texte auf bestehende Melodien geschrieben werden. Solche Dinge entstehen. Aber für uns trifft das auch nicht genau zu, weil wir unsere Lieder komplett selber schreiben.

Aber Sie schmachten „Es muss was Wunderbares sein, von Dir geliebt zu werden“. Der Benatzky-Schlager kann doch nicht Ihr Ernst sein, oder?

Für uns ist es unheimlich leiwand, so etwas zu vertonen und auch etwas zu verunglimpfen. Es war eben eine andere Zeit, aus dem das Lied stammt. Aber wir nehmen es trotzdem ernst und haben unseren Spaß, dabei gefühlsmäßig auf die Tube zu drücken.

Ein anderes Lied heißt „Die Liebe ist wie die Kronenzeitung“. Versteht man solche Anspielung außerhalb Wiens und Österreichs überhaupt?

Wenn man es umlegt auf BILD-Zeitung schon. Aber da sind wir schon sehr neugierig, was uns widerfährt in Deutschland.

Sie fordern das Sprachverständnis regelrecht heraus. Etwa in „Gengan 2 Woame auf a Hasse“. Was „zwei Warne“ sind, ist klar, aber was ist „a Hasse“?

Eine heiße Wurst. Und dazu zwei Männer am Würschterlstand. Das passt in Wien oft nicht zusammen. Aber wir scheißen uns nix und liefern eine wegweisende Sicht. Wir wollen zeigen, dass man offen durch die Welt gehen soll.

Ist Wien etwa schwulenfeindlich?

Wien ist konservativ, hat aber natürlich seine Szenen. Für lesbische Paare ist es einfacher, Männer müssen sich oft verstecken. Da einer unserer Sänger schwul ist, war es naheliegend, so eine Nummer zu machen.

Zurück zur Mundart. Welche Rolle spielt die?

Eine große. Man traut sich in Österreich aber so wenig zu sagen, dass man aus Österreich ist. Uns ist das ein Anliegen: Identität zu bewahren, dass man zurückkommt zu dem, was man ist.

Ist das Ganze auch eine Maßnahme zum Artenschutz in globalisierten Zeiten?

Könnte man so sehen. Es ist uns einfach wichtig, dass man das, was man singt, in seiner eigenen Sprache tut. Das ist doch das Natürlichste. Dass man sich als Musiker verstellen muss, um im Radio gespielt zu werden, ist doch völlig verkehrt.

Der Wiener stößt doch da schon in Österreich auf Widerstand.

Mag sein. Aber sie sehen den Wiener alle gerne leiden. Das geht bis Berlin.

Interview: Andreas Radlmaier

„5/8erl in Ehr’n“: Sonntag, 16.30 Uhr, im Kreuzigungshof

Bardentreffen-CD zu gewinnen

Mit 20 Titeln serviert die CD „Bardentreffen Nürnberg 2009“ ein Drittel aller eingeladenen Sänger und Musiker des kommenden Wochenendes. Darunter De-Phazz-Solistin Pat Appleton, LaBrassBanda und Wave-Ikone Anne Clark. Auch die Schweizer Szene, heuer bekanntlich Schwerpunkt, streut reichlich Appetithappen: die Alphorn-Exotin Eliana Burki, die Berner Dialektrocker Patent Ochsner, „Plüsch“-Sänger Ritschi und Max Lässers alpines Überlandorchester.

Die CD gibt’s in den Buch- und Plattenläden der Nürnberger Innenstadt sowie auf dem Festival (für 12 Euro). Und mit etwas Glück auch gratis: Die AZ verlost 10 Exemplare. Einfach am 30. Juli um 11 Uhr unter 0911/20 44 60 anrufen.

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