Droge Extremsport: Der Tod läuft mit
MÜNCHEN - In Jogging-Schuhen auf Deutschlands höchsten Berg – Sport oder Wahnsinn? Zumal bei schlechtem Wetter wie am Sonntag. Was Freunde und Sportkollegen über die Toten Bergläufer sagen. Der Veranstalter wehrt sich, die Behörden ermitteln.
Sie waren auf der Jagd nach persönlichen Rekorden – und starben auf Deutschlands höchstem Berg: die Extremläufer Hans P. (45) und Uwe M. (41), die beim Zugspitzlauf am Sonntag ihr Leben verloren. Am Montag wurden ihre Leichen in München obduziert – und die Suche nach den Verantwortlichen für das Drama ging weiter.
Er sei sich sicher gewesen, dass der Lauf wegen schlechten Wetters abgebrochen werde, griff der Seniorenmeister im Berglauf, Helmut Reitmeir, den Organisator an. „Es ist unverzeihlich, dass zwei Menschen sterben mussten. Das wäre einfach nicht nötig gewesen“, sagte der 64-Jährige, der wegen der schlechten Vorhersage nicht am Zugspitzlauf teilgenommen hatte. „Wir haben nicht verantwortungslos gehandelt“, wehrte sich Veranstalter Peter Krinninger im Gespräch mit der AZ. 2007 seien die Verhältnisse „noch viel schlimmer“ gewesen. „Es war viel kälter.“ Deshalb sei das Ziel schon damals zur Sonnalpin zurückversetzt worden. „Da wurden einige bitterbös“, sagte Krinninger. „Die wollen immer bis zum Gipfel.“ Einige Läufer forderten sogar Regress.
Justiz prüft Ermittlungen
Die Staatsanwaltschaft München II prüft derzeit, ob sie ein Verfahren wegen fahrlässiger Tötung einleitet und „ob wir überhaupt gegen eine konkrete Person ermitteln“, so Staatsanwalt Rüdiger Hödl zur AZ. Bislang stehe lediglich fest, dass Uwe M. und Hans P. „der Belastung beim Zugspitzlauf nicht standhalten“ konnten und „sich körperlich überforderten“.
Sicher ist auch: Die beiden waren zwar keine blutigen Anfänger, aber auch keine Berglaufexperten. Hans P. war Sportlehrer im Hariolf-Gymnasium in Ellwangen (Baden-Württemberg) – und ein Held. Vor einigen Jahren hatte er eine Frau und ihren Hund aus dem Fluss Jagst gerettet.
Er lief seit mehr als 15 Jahren, seine Marathon-Bestzeit lag bei 2:48 Stunden. Der drahtige, 60 Kilo leichte Sportler war erst vor 14 Tagen auf das Nebelhorn (2224 Meter) bei Oberstdorf gerannt. Hans sei „topfit“ gewesen, sagt sein Bekannter Robert Hauber. „Er war sehr ehrgeizig und vielleicht auch etwas leichtsinnig – ich hätte mir bei dem Wetter eine Windjacke mitgenommen.“
Hans P. hinterlässt Ehefrau Dunja, Tochter Melanie (12) und Sohn Nicolas (9). Melanie treibt wie ihr Vater viel Sport: Sie gehört zur Vierkampf-Mannschaft der DJK Ellwangen. Ihr Vater war dort Trainer. Die studierte Journalistin Dunja P. wurde gestern von einem Seelsorger betreut.
Der Niedersachse Uwe M. hingegen war alleinstehend und lebte mit seinem Bruder in Witten. Er lief ebenfalls seit rund 15 Jahren. Der Diplom-Ingenieur, der in einer Härterei arbeitete, war zum ersten Mal auf der Zugspitze. „Er wusste aber, was er sich da antut“, sagt sein Lauffreund Claus Humbert der AZ.
Am Freitag war Uwe M. mit 15 Kumpels nach Ehrwald angereist, am Montag wollte die Gruppe heim. Sein Freund Ralf Kubeczka, der in den vergangenen drei Jahren am Zugspitzlauf teilgenommen hat, macht niemandem einen Vorwurf: „Auf dem letzten Kilometer geht es 400 Höhenmeter rauf. Du kannst nicht anhalten, runter geht auch nicht, da stürzt du ab, es ist zu steil. Uwe musste hoch.“ Gestern brachte ein Freund Auto und Kleidung des Toten zurück.
N. Kettinger, T. Gautier