"Luxury-Hotel auf Schienen": Spitzenkoch aus Bayern über den neuen Orient-Express

Rom/München – Der legendäre Orient-Express wird im Frühjahr 2025 in Italien auf die Schienen gehen – mit dem vielversprechenden Namen "La Dolce Vita Orient Express". Der Leiter des kulinarischen Programms ist Heinz Beck. Der 61-Jährige ist in Altötting aufgewachsen, hat schon im Tantris und in der Residenz von Heinz Winkler in Aschau gearbeitet. Seit 1994 betreibt er in Rom das mit drei Michelin-Sternen bewertete Restaurant La Pergola.
Damit trifft ein Spitzenkoch auf einen Luxuszug mit Historie: Der Orient-Express verband seit dem späten 19. Jahrhundert Paris mit Istanbul. Der Name wurde im Laufe der Zeit für Züge unterschiedlicher Betreiber und Strecken verwendet. Die Preise in der neuen italienischen Variante beginnen bei der kostengünstigsten Route bei 3500 Euro pro Passagier. Bei der Reise von Sizilien nach Rom kann eine Nacht auch schon knapp 9000 Euro kosten.
Die AZ hat sich mit Heinz Beck unterhalten – über seine Kreationen für den Luxuszug, was er aus dem Tantris mitgenommen hat und wie er nach der langen Zeit in Italien zu bayerischen Schmankerl steht.

AZ: Herr Beck, Sie führen das beste Restaurant Roms und haben damit seit 20 Jahren ohne Unterbrechung drei Michelin-Sterne. Was ist Ihr Erfolgsrezept?
Heinz Beck: Meine Gäste glücklich zu machen! Wir versuchen, unser Bestes zu geben. Dazu gehören Passion, Kreativität, Kontrolle sowie Führung des Personals. Es lässt sich nicht mit einem Wort sagen.
In der Vergangenheit haben Sie im Tantris in München und in der Residenz Heinz Winkler in Aschau gearbeitet. Haben Sie aus dieser Zeit etwas mitgenommen, das Sie bis heute prägt?
Präzision! Und die Organisation.
"Ein schönes, interessantes Projekt"
Nun haben Sie eine zusätzliche Aufgabe: In der italienischen Version des berühmten Orient-Expresses mit dem Beinamen Dolce Vita sind Sie für die Kulinarik zuständig. Wie schaffen Sie das "nebenbei"?
Das ist eine Organisationsfrage. Eine von drei Ghost Kitchens (Kocheinrichtung ohne Gastraum, dort wird zur Auslieferung gekocht; d. R.) ist in Rom, deswegen ist es einfacher zu organisieren. Die anderen sind in Mailand und Palermo.

Wie kommt man zu so einem Job? Bewirbt man sich oder wird man angefragt?
Man wird angefragt. Ich habe zugesagt, weil es ein schönes, interessantes Projekt ist. Der Orient-Express hat eine Jahrhundert-Geschichte. Der Beiname Dolce Vita ist mit Italien verwurzelt und sagt schon alles: Luxus, Klasse, Qualität, Träume, mediterraner Flair. Man muss es sich vorstellen wie ein Luxury-Hotel auf Schienen. Es ist toll, etwas ganz Neues zu kreieren. Der erste Zug ist fertig, der zweite fast. Es wird acht verschiedene Touren in Italien geben. Jeder Zug hat eine eigene Foodline. Ich lasse meine Erfahrung und Kreativität aus 40 Jahren Kochen einfließen.
Ein Schmankerl: San Marco in Venedig bei Nacht
Können Sie eine Route beschreiben?
Von Rom nach Venedig über Portofino zurück nach Rom. Es ist eine Rundreise, die drei Tage dauert. Los geht es in Rom mit einem Welcome-Cocktail – logisch. Dann ein Mittagessen im Zug, am frühen Nachmittag kommen die Reisenden in Venedig an – inklusive Besuch der Stadt und Abendessen. Zudem wird eine Mitternachtstour in der Kathedrale San Marco angeboten. Eine tolle Sache, ich habe sie schon mitgemacht. Untertags sind so viele Leute dort, in der Nacht ist es mystischer und mit großen Emotionen verbunden. Zurück im Zug gibt es einen Midnight-Snack und die Bar hat geöffnet. Nach einem Frühstück erreicht der Zug am späten Vormittag Portofino – dort gibt es Lunch. Afternoon-Tea, Abendessen, Cocktail-Bar, Midnight-Snack, nochmal Frühstück – bis man zurück in Rom ist.
Diese Gerichte kommen auf den Tisch im Zug
Verraten Sie, was Sie servieren werden?
Ja, der Speiseplan für diese Tour ist fertig. Die Gerichte sind grundsätzlich davon inspiriert, wo die jeweilige Reise los- und durchfährt. Als Vorspeise gibt es zum Beispiel Büffel-Carpaccio mit Ricotta, Tomaten und Kräutern. Als Hauptspeise planen wir ein Lamm in Olivenkruste mit Artischocken und Karotten. Zum Abendessen: ein Adlerfisch mariniert mit Sellerie und oxidierter Schokolade. Weitere Gerichte: Risotto mit Kräutern und marinierten Carabineros (rote Riesengarnele; d. Red.) und Rinderfilet mit Karotten und Galanga-Soße. Galanga ist so ähnlich wie Ingwer, aber delikater. Es gibt aber zum Beispiel auch einen Trüffel-Orient-Express-Zug, dieser wird nur saisonal fahren. Denn weißen Trüffel gibt es nur im Winter.

Wie oft testen Sie die Menüs, bevor es im April mit dem "Dolce Vita Orient Express" losgeht?
Wir hatten schon ein Probeessen im Zug - ab 15. Januar werden bis April Probefahrten durchgeführt, nur mit eingeladenen Gästen wie Freunden und so weiter. Sie werden danach befragt: Was hat euch gefallen und was nicht?
"Etwas vergessen gibt's nicht"
Sie haben vorhin schon von Ghost Kitchens gesprochen. Welche Herausforderungen gibt es bei der Bewirtung im Zug?
In den Ghost Kitchens wird alles vorbereitet. Im Zug ist die Küche so groß, wie in einem kleinen Apartment. Man muss vorher an alles denken, etwa auch ein Backup, falls Allergiker an Bord sind oder jemand etwas nicht mag. Es muss sehr gut organisiert werden. Wenn der Zug rollt, hat man keine Chance mehr, etwas zu kaufen. Etwas vergessen gibt's nicht. Wir führen deswegen Check-Listen.
Werden Sie selbst mitfahren?
Ich werde alle Reisen mitmachen, um zu sehen, wie und wo man was besser machen muss. Wenn alles offiziell startet, werde ich noch ab und zu mitreisen. Mein Restaurant in Rom hat sonntags und montags geschlossen - deswegen ist es kein Problem für mich mitzureisen.
"Schlechter als bio garantiert nicht"
Schreiben Sie die Rezepte auf?
Wir rezeptieren die Gerichte, aber das ist relativ. Denn es kommt immer auf die Produkte an. Wir benutzen hauptsächlich biologisch-dynamische und regenerative Agrikultur. Wo wir das nicht finden, nehmen wir Bio – aber schlechter als Bio garantiert nicht. Denn die Qualität muss top sein. Aber wie es in der Natur ist: Jede Tomate ist nicht jeden Tag gleich. Deswegen gibt es zwar Rezepte, aber wichtiger ist es, dass das Personal ein gutes Training hat, um jeden Tag die gleiche Qualität zu produzieren, mit Zutaten, die sich täglich ändern.

Sie haben weitere Restaurants, die "Beck and Maltese Consulting"-Gesellschaft und diverse andere Verpflichtungen. Wie klappt all das?
Ich habe ein tolles Team.
"Ich habe eine Sieben-Tage-Woche"
Aber es klingt so, als würden Sie sieben Tage die Woche arbeiten.
Ja, ich habe eine Sieben-Tage-Woche. Frei habe ich wenig. Ich liebe, was ich tue, und ich liebe es, kreativ arbeiten zu dürfen. Ich liebe auch meine Frau und mein Team. Es kommt auf die Balance an.
"Ein schönes Sauerkraut mit Schweinshaxe"
Fehlt Ihnen bayerisches Essen noch nach drei Jahrzehnten in Italien?
Ich habe ein paar Freunde, die ab und zu kommen und mir Leberkäse oder Weißwurst mitbringen. Oder auch eine Brezn. Ich bin ja auch ein Bayer! Ein schönes Sauerkraut mit Schweinshaxe – dagegen lässt sich nichts sagen.
Was isst ein Sternekoch zu Weihnachten?
Traditionell eine Weihnachtsgans am 25. Dezember – auch für dieses Jahr habe ich sie schon bestellt. Ich bekomme sie zwei Wochen vorher, nehme sie aus, mariniere sie und am Vortag wird sie gefüllt mit Zwiebeln, Äpfeln und Kräutern. Dazu gibt es Blaukraut.