"Drecksschule! F... euch, ihr Lehrergesindel!"
Dass Erziehern immer wieder ungefilterter Hass von Schülern entgegenschlägt, ist nicht neu. Experten sehen aber inzwischen eine andere Qualität. In den Schulen verbreite sich zunehmend eine aggressive, hasserfüllte Sprache.
München - Auch nach 40 Jahren im Schuldienst hat die Lehrerin so was noch nicht erlebt. Als sie eines morgens zur Arbeit in einem kleinen Ort irgendwo in Bayern kommt, liest sie am Eingang zur Dorfschule eine Schmiererei: "Drecksschule! F . . . euch, ihr Lehrergesindel, ihr Untermenschen."
Ein Einzelfall sei das nicht – im Gegenteil, sagt die Präsidentin des Bayerischen Lehrerverbandes (BLLV), Simone Fleischmann, die aus einer E-Mail der Lehrerin zitiert. In den Schulen verbreite sich zunehmend eine aggressive, hasserfüllte Sprache. Die Lehrer schlagen Alarm und haben ein Manifest geschrieben, das der Verband am Mittwoch in München präsentierte.
Nach Einschätzung des Deutschen Lehrerverbandes hat die Gewaltbereitschaft auf dem Schulhof bereits zugenommen. "Es fängt alles immer früher an. Sie hören heute schon von Acht- oder Neunjährigen Begriffe wie ,Hure‘, ,Spasti‘, ,Asylant‘", sagt Verbandspräsident Josef Kraus.
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Der BLLV will Lehrer sensibilisieren, beleidigende und diskriminierende Sätze, die in Klassenzimmern und Schulhöfen nicht nur gegen Migranten, Flüchtlinge und Asylbewerber kursieren, "nicht einfach stehenzulassen".
Der Neurowissenschaftler Joachim Bauer weist auf den Zusammenhang zwischen aggressiver Sprache und physischer Gewalt hin. Was andere sagten, sei nicht "Schall und Rauch", sondern verändere das "Selbst", so Bauer. Verbale Ablehnung durch andere aktivierten die Schmerzsysteme des Gehirns.
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Dagegen helfe, mit den Jugendlichen über ihre Äußerungen zu reden. Die Lehrer beobachten derzeit ein Überschwappen der aggressiven Sprache in den sozialen Medien, aber auch aus den Nachmittagsprogrammen mancher Fernsehsender sowie vom "schrillen" politischen Diskurs in die Schulen.
"Insbesondere Repräsentanten der Rechtspopulisten und Rechtsextremen", heißt es in dem Manifest, "tragen zu dieser Verrohung bei." Offenbar habe die Flüchtlingsdebatte dazu geführt, dass man Ende des letzten Schuljahres eine deutliche Verschärfung des verbalen Klimas an den Schulen wahrgenommen habe, so Verbandspräsidentin Fleischmann.
Jetzt befürchtet sie eine weitere "Zuspitzung". Das Manifest „Haltung zeigen“ hat keine Bestrafung von Aggressivität aus Schülermund im Auge. Das wäre "absurd", sagt Bauer. Das Manifest wolle vielmehr die Solidarität derer, die auf Werte achten wollen, stärken.
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