Drama in Ingolstadt: Warum ist der Waffennarr ausgerastet?

Das Drama von Ingolstadt: Ein 43-jähriger Jäger und Sportschütze ballert vor einer Frau herum, erschießt anschließend den Ex-Mann seiner Gattin – und schließlich sich selbst auf einer Polizeidienststelle.
Ingolstadt - Es war die Nacht der Abrechnung für Raimund H. (43). Zuerst bedrohte er die Mutter einer 16-Jährigen, die ihn wegen sexueller Nötigung angezeigt hatte. Dann tötete er in Ingolstadt den Mann seiner Ex-Frau. Der Sportschütze feuerte sechs Mal auf Albert R.; anschließend drang er ins Polizeipräsidium ein und jagte sich vor den Augen zweier Polizisten eine Kugel in den Kopf .
Die Mordkommission Ingolstadt steht auch einen Tag nach den tödliche Schüssen vor einem Rätsel: Warum ist Raimund H. ausgerastet? Warum hat er sich einen Revolver vom Typ Magnum und eine Pistole vom Kaliber 45 geschnappt und ist damit am Sonntagabend in Ingolstadt regelrecht Amok gelaufen?
Sein erstes Opfer ist eine 37-Jährige aus seinem Heimatort Großmehring. In der Abenddämmerung taucht er bei der Frau auf. Er hat eine Pistole vom Kaliber 45 in der Hand. Er feuert. Die Kugel fährt vor den Füßen der 37-Jährigen in den Boden. Die Frau erleidet einen Schock.
Deren 16-jährige Tochter hatte den gelernten Energieelektroniker vor Monaten wegen sexueller Belästigung angezeigt. Er soll die Schülerin betatscht haben. Am Mittwoch letzter Woche musste sich Raimund H. deshalb vor dem Amtsgericht in Ingolstadt verantworten. „Der Mann wurde freigesprochen“, erklärt Staatsanwalt Helmut Walter.
Eigentlich hätte der Fall damit für Raimund H. erledigt sein können. Doch die Vorwürfe müssen dem 43-Jährigen, der zuletzt bei einer Sicherheitsfirma beschäftigt war, schwer zugesetzt haben.
Nachbarn aus dem Ort beschreiben den zweifachen Vater als freundlichen und hilfsbereiten Menschen. Seine große Leidenschaft waren Waffen. Als Jäger und Sportschütze besaß er legal eine ganze Sammlung. „In seiner Wohnung wurden auch mehrere Gewehre gefunden“, bestätigt Polizeisprecher Hans-Peter Kammerer. Ob Raimund H. für die Magnum und die 45er eine Lizenz besaß, wird noch geprüft.
Kurz vor 19 Uhr taucht Raimund H. schließlich im Ingolstädter Stadtteil Ringsee bei Albert R. auf, dem Ex-Mann seiner Frau. Die Haustür ist unverschlossen. Im Flur trifft er Albert R. (48); H. reißt die Hand mit der Pistole hoch und drückt ab. Sechs Kugeln treffen Albert R., eine Kugel davon in den Kopf. Er stirbt vor den Augen seiner Frau. Sie wird von R. verschont.
Mit seinem VW-Bus flüchtet Raimund H. vom Tatort. Mehrere Nachbarn haben die Schüsse gehört und die Polizei gerufen. „Ich sah einen Mann aus dem Haus laufen“, erzählt eine Rentnerin, „kurz zuvor waren Schüsse gefallen.“ Raimund H. fährt direkt zum Präsidium in die Innenstadt, die größte Polizeidienststelle der gesamten Gegend.
Während Beamte mit Blaulicht nach Ringsee rasen, parkt der 34-Jährige seinen Bulli vor dem roten Backsteinbau. Er geht zur Wache der PI. Raimund H. zieht seine Magnum. Er zielt auf das Schloss der Glastür und feuert. Anschließend rüttelt der kräftigte Mann so lange an der Tür, bis sie aufspringt. Mit der Waffe in der Hand betritt der 43-Jährige das Gebäude. Im Treppenhaus begegnet er zwei Polizisten. Sie ziehen sofort ihre Dienstwaffen. „Lassen Sie den Revolver fallen“, fordern sie. Es kommt zu einem Wortwechsel. Dann jagt sich H. mit der Magnum eine Kugel in den Kopf.
Polizeisprecher Hans-Peter Kammerer schließt bislang nicht aus, dass der Mann es darauf abgesehen haben könnte, von den Polizisten erschossen zu werden. Das Motiv des Amoklaufs ist weiterhin unklar.