Drama in der Höhle: "Die Bergung ist extrem mühsam"
Was ein Experte über das Höhlen-Unglück im Berchtesgadener Land sagt und wie er die Chancen sieht, dass seinem verletzten Kameraden geholfen werden kann. Ein AZ-Interview.
Marktschellenberg/Untersberg - Nach einem Unglück in den Berchtesgadener Alpen bereiten Rettungskräfte die Bergung eines Höhlenforschers vor. Helfer sind in die Riesending-Höhle eingestiegen, um den schwer verletzten Mann zu retten, wie ein Sprecher der Bergwacht Chiemgau mitteilte. Die Rettungsaktion könnte sich noch über mehrere Tage hinziehen. Der Mann hat schwere Verletzungen an Kopf und Oberkörper erlitten, weshalb die Bergung sehr kompliziert werden könnte. Der Forscher aus dem Raum Stuttgart war mit zwei Begleitern unterwegs, als es plötzlich zu einem Steinschlag kam.
Graham Nash (64) ist Geschäftsführer der Höhlenrettung Baden-Württemberg. Der verunglückte Johann W. ist Mitentdecker der weit verzweigten, riesigen Höhle im Untersberg.
Herr Nash, Sie sind selbst Höhlenretter. Was macht eine Rettung so schwierig?
GRAHAM NASH: Im Gegensatz zu einem Bergunfall kann man die Unglücksstelle nicht per Hubschrauber erreichen. Die Bergung ist immer zeitaufwändig und extrem mühsam. In Höhlen ist es oft sehr eng und verwinkelt, manchmal muss man kriechen. Dazu kommt die feuchte Kälte. Der Verletzte kühlt sehr schnell aus. Wie er geborgen werden kann, hängt von der Art der Verletzung ab. Wir müssen mit allem rechnen. Bei einer Wirbelsäulenverletzung wird ein Rückenkorsett erforderlich sein. Wenn die Halswirbelsäule etwas abbekommen hat, braucht er vielleicht eine Halskrause. Es ist zu hoffen, dass er sich mit etwas Hilfe selbst retten kann und nicht ausschließlich auf die Hilfe anderer angewiesen ist.
Welche Anforderungen stellt so eine Aktion für die Retter dar?
Sie müssen absolut fit und sehr erfahren sein. Man muss alles geben.
Wie kann eine Telefonverbindung zu dem Verletzten hergestellt werden?
Es gibt zwei Möglichkeiten: entweder über Funk, also über Langwelle oder U-Boot-Welle oder per Kabel. Bei einer Funkverbindung können mehrere Geräte hintereinander gelegt werden. In diesem Fall ist es sinnvoller, beim Abstieg ein Kabel zu verlegen und ein Telefon mitzunehmen. Das Kabel darf nur nicht beschädigt werden.
Derzeit ist es sehr heiß außerhalb der Höhle, was ist, wenn es regnet?
Ein Wetterumschwung birgt große Gefahren. In der Höhle kann es zu Überflutungen kommen. Außerdem gibt es in 500 Metern Tiefe einen Wasserfall. Der wird bei Regen kaum passierbar sein.
Sie kennen Johann W. persönlich. Er ist selbst aktives Mitglied bei der Höhlenrettung und hat schon viele Rettungsübungen mitgemacht. Wie würden Sie ihn beschreiben?
Er ist extrem fit, sehr erfahren, zäh, ruhig und besonnen.
Wie zuversichtlich sind Sie, dass er geborgen werden kann?
Ich bin zuversichtlich. Vielleicht ist es möglich, dass er sich mehrere Tage in der Höhle auskuriert und dann aus eigener Kraft wieder aufsteigt. Aber momentan weiß man noch nichts Genaues über seine Verletzungen.
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