Drama im Fels: Stefan (24) aus Franken bangte um sein Leben

Er stand auf einem winzigen Felsvorsprung in Schottland, unter ihm eine tiefe Schlucht: Ein Telefonat mit seiner Mutter in Bayreuth rettete ihn
BAYREUTH Was würden Sie tun, wenn Sie nur mit einem Fuß schräg auf einem zehn Zentimeter großen Vorsprung stehen und der einzige Halt eine Wurzel ist, an der Sie sich mit der rechten Hand festklammern können? Der Bayreuther Sportökonomie-Student Stefan Riedl war in dieser Situation. Und: Er hat seine Mama angerufen – das rettete ihm das Leben.
Stefan Riedl hatte sich beim Abstieg in den schottischen Highlands verlaufen. Plötzlich ging es nicht mehr vor oder zurück. Unter ihm gähnte ein Abgrund. Er fingerte mit der linken Hand sein Mobiltelefon aus der Hosentasche und wählte Mutters Nummer.
„Ich weiß nicht genau, warum ich ausgerechnet bei ihr angerufen habe. Ich wollte mich einfach beruhigen. Und ich wusste, dass sie mir sagen wird, dass ich mich nicht bewegen soll. Das war gut so. Jeder Schritt hätte der letzte sein können“, erinnert sich der 24-Jährige an die wohl schlimmsten drei Stunden seines Lebens.
Mutter Brigitta war entsetzt, als ihr Sohn seine Lage schilderte: „Man versucht nur, zu funktionieren.“ Über die bayerische Polizei wollte sie die Notrufnummer für Schottland erfragen. Doch die Beamten schalteten sich sofort in die Rettungsaktion ein und stellten eine Verbindung zum Auswärtigen Amt in Großbritannien her, die alarmierten die Bergretter. Die Nachhilfelehrerin versuchte wieder, mit ihrem Sohn Kontakt aufzunehmen. Doch er meldete sich nicht. „Ich dachte, er ist jetzt abgestürzt. Man betet und läuft wie ein Tiger im Käfig auf und ab. Das war die Hölle!“
Aber Stefan lebte noch. Er konnte nur nicht rangehen, weil er gerade mit seinem Kumpel in Glasgow telefonierte. Fast zeitgleich wurde das Mountain-Rescue-Team von England alarmiert. Die Bergretter dirigierte der Student mit Hilfe einer Karte, die er an der Felswand vor sich ausgebreitet hatte.
„Wenn man da steht, denkt man glücklicherweise nicht an das, was passieren könnte. Man hat keinen Hunger und keinen Durst. Und ich habe auch nicht gesehen, wie tief es wirklich runtergeht.“ Die Situation wurde immer prekärer: Die Finger verloren in der Kälte das Gefühl, die Füße zitterten durch die Anstrengung. Es begann zu schneien, dann stieg auch noch Nebel auf. „Hier findet mich niemand mehr“, dachte er sich. Glücklicherweise war sein Nokia 3310 classic frisch aufgeladen, per Handy lotste er die Helfer. Die schossen Leuchtraketen ab – Stefan Riedl konnte sie zwar sehen, aber die Retter ihn nicht. Dann kam der zweite Lebensretter ins Spiel. Der Blitz der Digitalkamera. Dank ihm konnten die Helfer Stefan Riedl orten und nach einer Stunde endlich bergen. Was würden Sie tun, wenn Sie ein solches Abenteuer hinter sich haben? Das tat Stefan: „Ich war müde, hab ein Bier getrunken und mich ins Bett gelegt.“
A. Uhrig