Doppelmord in Notzing: Die zerstörte Idylle
Eine Dorfidylle in Oberbayern, die Sonne bringt den Frühling – doch die Beschaulichkeit in Notzing ist dahin: Im Garten eines Einfamilienhauses gräbt die Polizei die Leichen eines Ehepaars aus. Der 21-jährige Ex-Freund der Tochter hat den Doppelmord gestanden.
Notzing – Bayerische Dorfidylle pur – Bauernhöfe und schmucke Einfamilienhäuser, der Maibaum steht in der Ortsmitte, erhöht steht die katholische Pfarrkirche mit weithin sichtbarem Glockenturm. Doch nun ist es mit der Beschaulichkeit in Notzing, knapp 20 Kilometer vom Münchner Flughafen entfernt, vorbei. Als am Palmsonntag zum Beginn der Karwoche die Prozession durchs Dorf zieht, liegen im Garten eines unauffälligen Häuschens zwei Leichen, verscharrt im Gemüsebeet, erstochen in der eigenen Wohnung. Der 21 Jahre alte Ex-Freund der Tochter der beiden Opfer hat gestanden, das Ehepaar im Alter von 60 und 54 Jahren umgebracht zu haben.
Ein Messer wurde als mutmaßliche Tatwaffe sichergestellt. Der dringend Tatverdächtige gilt laut Polizei als psychisch auffällig, er war bereits gegen seine eigenen Eltern gewalttätig geworden. Bereits am Freitag soll der Heizungsmonteur seine Opfer erstochen und die Leichen in der folgenden Nacht im Beet eingegraben haben.
Der Garten des an einer Straßenbiegung liegenden Häuschens in unmittelbarer Nähe zur Pfarrkirche St. Nikolaus ist am Montag mit schwarzen Planen vor neugierigen Blicken geschützt. Die Stelle, wo die Leichen ausgegraben wurden, ist mit weißen Folien zugedeckt. Scheinwerfer, mit denen die Kripo in der Nacht zum Montag den Tatort ausgeleuchtet hatte, stehen noch im Garten. Eine Polizeistreife sorgt dafür, dass kein Unbefugter ihn betritt.
Vor fünf Jahren erst hatte das Ehepaar das Einfamilienhaus gebaut. Der vor kurzem in Rente gegangene 60-jährige Ehemann aus der Kfz-Branche und die Hausfrau, die gelegentlich putzen ging, zogen vom nahen Goldach nach Notzing. Die heute 17-jährige Tochter kam mit, der Sohn (24) blieb in Goldach.
„Das ist unvorstellbar“, sagt Hildegard Neumaier, Frau des Pfarrmesners und Nachbarin der ermordeten Eheleute, über das Verbrechen. Die 59-Jährige deutet zum Tatort und sagt kopfschüttelnd: „Das waren doch ganz normale nette Leute.“ Der Familienvater habe erst vor wenigen Wochen eine Feier zu seinem 60. Geburtstag gegeben - „und nun das“.
In Notzing duzen sich die Menschen noch, in der Metzgerei am Ortseingang ist der Doppelmord Tagesgespräch. Dorfbewohner erzählen, dass sie die Eheleute am Freitag noch beim Lesen der Zeitung im Garten gesehen haben. Sie spekulieren darüber, wie es passieren kann, dass zwei Leichen nachts im Garten an einer vielbefahrenen Durchgangsstraße verscharrt werden – und keiner es bemerkt.
Während die Menschen noch über den Tathergang und das Motiv des 21-Jährigen rätseln, rückt die Tochter der Ermordeten ins Visier der Ermittler. Die 17-Jährige hatte sich erst vor wenigen Wochen von ihrem Freund getrennt. Die Auszubildende lebte wie ihre Eltern unauffällig im Dorf mit seinen knapp tausend Einwohnern. Das Verhältnis zu Mutter und Vater soll unproblematisch gewesen sein. Doch die Kripo zweifelt, ob sie wirklich unschuldig ist.
Polizeisprecher Hans-Peter Kammerer geht davon aus, dass die junge Frau sich nach dem Doppelmord zumindest noch zeitweise im elterlichen Haus aufhielt. Ob sie gar an der Tat beteiligt war, müssten die Ermittlungen ergeben. „Wir klären den möglichen Tatbeitrag ab“, sagt der Sprecher des Polizeipräsidiums in Ingolstadt knapp.
In Notzing versuchen die Menschen derweil, wieder zur Normalität zurückzukehren. Während die Mesnersfrau noch immer im Garten steht und auf den Tatort schaut, fährt eine alte Frau mir ihrem Auto vorbei, hält an, kurbelt das Fenster herunter und ruft Hildegard Neumaier zu: „Jetzt wird Notzing berühmt.“