Döner-Killer: Arbeitet er im Auftrag der Wett-Mafia?
Ein abgehörtes Telefonat alarmiert die Ermittler: Ein türkischer Wett-Pate (42) soll in die ungeklärte Mordserie verwickelt sein. Zwischen 2000 und 2006 wurden neun Geschäftsleute ermordet
NÜRNBERG Eine Mauer des Schweigens, kaum Spuren, kein erkennbares Motiv: An der mysteriösen Mordserie, der zwischen 2000 und 2006 schon neun Menschen in Deutschland, davon drei in Nürnberg, zum Opfer fielen, biss sich die Polizei die Zähne aus. Doch nun wirft ein abgehörtes Telefonat ein neues Licht auf den Fall. Das Gespräch lieferte Anhaltspunkte, dass die Wettmafia hinter der Mordserie stecken könnte. Unfassbar...
Am 7. Oktober fingen die Sonderermittler der Staatsanwaltschaft Bochum ein Telefonat ab, in dem ein in Deutschland lebender Türke munter drauflos plauderte. Er sprach über einen Mord in seinem Heimatland, nannte das Motiv (60.000 Euro Schulden), den Namen des Opfers – und auch den Namen des mutmaßlichen Täters. Von da ab schrillten bei den Ermittlern alle Alarmsignale. Die Polizei geht nämlich davon aus, dass der Killer den Auftrag von einem Türken (42) erhalten hat, der als einer der Paten der Fußball-Wettmafia gilt und bei den gerade laufenden Ermittlungen im Kreuzfeuer steht.
Der Anwalt des Auftraggebers wiegelt den Verdacht ab. „Das sind Verleumdungen, die längst widerlegt sind“, beteuerte er gegenüber dem Nachrichtenmagazin „Spiegel“. So eindeutig fällt der Kommentar von Nürnbergs Justizsprecher Thomas Koch aber nicht aus. „Der Name des 42-jährigen taucht in Zusammenhang mit den Serienmorden auf.“
Nach AZ-Informationen steht der Türke schon längere Zeit in Verdacht, in die ungeklärte Verbrechensserie verwickelt zu sein. Doch bisher fehlte ein klarer Nachweis. Die Ermittlungen der Sonderkommission, die von Nürnberg aus zentral geführt wurden, endeten bei einer Firma in Istanbul, die undurchsichtige Im- und Exportgeschäfte abwickelt.
Die Angehörigen der Opfer schweigen fast alle - aus Angst
Die Theorie vom irren, von Fremdenhass gesteuerten Einzeltäter bezogen die Ermittler zwar auch in ihre Überlegungen mit ein. Doch sie vermuteten von Anfang an, dass es sich bei der Mordserie auch um die schmutzige Arbeit professioneller Auftragskiller handeln könnte. Die Schwierigkeit war, dass zwischen den neun Opfern offensichtlich keinerlei Verbindungen bestanden, die Aufschlüsse über das mögliche Tatmotiv zuließen.
Angehörige der Opfer schüttelten bei Fragen nach den möglichen Gründen für die Mordserie nur den Kopf. Lediglich die Familie des Blumenhändlers Enver S. (38), der im September 2000 in Nürnberg-Langwasser erschossen wurde und das erste Opfer war, räumte ein, Angst zu haben. Vor der Mafia?
Die Ermittlungen lieferten keine Hinweise darauf, dass einer oder mehrere der Getöteten etwas mit illegalen Wetten zu tun hatten. Aber alle waren kleine Geschäftsleute, die in Geldnöten steckten und von den Banken keine großen Kredite zu erwarten hatten. Liehen sie sich vielleicht Geld von der Wett-Mafia? „Das kann durchaus möglich sein. Die Drahtzieher des illegalen Wettgeschäfts schwimmen regelrecht im Geld und müssen schauen, wie sie es unauffällig einsetzen können“, sagte ein Ermittler zur AZ.
Wer seine Schulden nicht zurückzahlen kann, steckt unter diesen Umständen schwer in der Klemme. Ein Nürnberger, der der Wettmafia rund 50.000 Euro schuldete, wurde entführt, in einen Keller gesteckt und schwer misshandelt. Durch abgehörte Telefonate weiß die Polizei, dass derartige Methoden der Geldeintreiber durchaus üblich sind. Schrecken sie bei säumigen Zahlern womöglich auch vor Mord nicht zurück?
H. Reister
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