Dieser Nürnberger schüttelt sich ganzjährig in den Winter

Josef Kardinal (60) ist Weltrekordler der Schneekugel-Sammler. Im Keller seines Hauses hat der Finanzbeamte 8000 Exemplare aufgereiht, darunter auch eine Oscar-Statue im Goldregen
NÜRNBERG Viele freuen sich auf den Frühling, Josef Kardinal lässt es dagegen lieber schneien – allerdings nur unter kleinen Plastikkuppeln. Dort aber gleich tausendfach. Denn der 60 Jahre alte Nürnberger ist Sammler von Schneekugeln – jene oft kitschigen Glasgehäuse, in denen kräftiges Schütteln für ein Schneetreiben sorgt. Im Keller seines Einfamilienhauses im Stadtteil Katzwang hortet er die größte Schneekugelsammlung der Welt.
8000 Stück sind inzwischen auf Regalbrettern aufgereiht. Die jüngste hat ein Schneekugel-Hersteller aus Kaufbeuren eigens zu Kardinals Sammeljubiläum herausgebracht und ihm gewidmet – eine Glaskugel, in der Goldglimmer eine Oscar-Statue umhüllt.
"Ein Stück heile Welt hinter Plastik konserviert"
Das Verhältnis von Kardinal zu seinen Sammelobjekten ist zwiespältig. „Eine Schneekugel – das ist ein Stück heile Welt, die hinter Plastik konserviert wird“, räumt er ein. Ansonsten ist er eher Liebhaber moderner Kunst. Mit seiner Mitte der 1980er Jahre geweckten Sammelleidenschaft wuchs aber zugleich die Faszination: „Schneekugeln zeigen eine Miniaturwelt. Ihre Hersteller stehen dabei vor dem Problem, dass man auf den ersten Blick erkennt, um was es geht. Es gibt praktisch keinen Lebensbereich, dem nicht mal irgendwann eine Schneekugel gewidmet wurde.“
So stößt der Besucher in Kardinals Sammlung zwar auch auf traditionelle Weihnachts- und Wintermotive. Weitaus größer aber ist die Abteilung Werbung. Rund 560 Exemplare verdeutlichen, wie sehr Unternehmen bei der Vermarktung ihrer Produkte auf die Popularität der Schneekugel setzen. Rieselnder Schnee wirbt für Kölnisch Wasser und Autos ebenso wie für Klebstifte, die Deutsche Bahn, Tageszeitungen und Kinofilme. Politische Parteien und Gewerkschaften betreiben mit Schneekugeln politische Stimmungsmache. So hüllte einst die CSU ihre Aussage „Näher am Menschen“ ebenso in Schneegestöber wie einst der DGB seine Forderung nach der 35-Stunden-Woche.
Schütteln, damit der Kunststoff-Schnee nicht verklumpt
Vor allem in den USA hat die Plastikkugel die Niederung eines billigen Reise-Mitbringels verlassen. Der US-Unterhaltungskonzern Disney bietet inzwischen Schneekugel-Arrangements mit Spieluhr und Springbrunnen an. 40 bis 50 Euro müssen Käufer dafür auf den Tisch legen. Klar, dass sie auch in Kardinals Sammlung nicht fehlen dürfen. Die meisten Schneekugeln erwirbt der Finanzbeamte über Auktionsportale im Internet – oft für wenige Euro. Auch Flohmärkte sind ihm immer wieder eine ergiebige Fundgrube.
Mit dem Sammeln allein istes jedoch bei diesem Hobby nicht getan. Kardinal muss dreimal im Jahr seine 8000 Sammlerstücke durchschütteln, damit der Kunststoff-Schnee nicht verklumpt. Alle fünf Monate füllt er mit einer Spritze destilliertes Wasser nach. „Da sitze ich dann rund drei Wochen lang jeden Abend drei Stunden im Keller“, erzählt der gestresste Schneekugel-Fan. Klaus Tscharnke