Dieser Kirche droht der Abriss

  Bei der Konstruktion des Daches hielt man sich vor einem halben Jahrhundert nicht an die Pläne. Der Dekan spricht von „kriminellem Handeln“. Für die Sanierung ist kein Geld da  
von  Kathrin Zeilmann
... Die Konstruktion des Kirchen-Daches ist nicht mehr stabil.
... Die Konstruktion des Kirchen-Daches ist nicht mehr stabil. © dpa

NÜRNBERG Eine Nürnberger Kirche muss voraussichtlich abgerissen werden. Der Grund: Pfusch am Bau! Was genau geschah, als vor etwa einem halben Jahrhundert die evangelische Kreuzkirche in der Lochnerstraße im Stadtteil Schweinau gebaut wurde, weiß heute niemand mehr. „Das war kriminelles Handeln“, sagt Dirk Wessel, der Dekan für Nürnberg-West. Bei der Konstruktion des Daches hielt man sich nicht an die genehmigten Pläne, sondern verwendete eine billigere Konstruktion und minderwertiges Material. Das Gotteshaus ist deshalb nun massiv einsturzgefährdet. Eine Renovierung kann sich die Gemeinde nicht leisten. Also droht der Abriss – ein bislang beispielloser Vorgang in der evangelischen Landeskirche.

Das Dach der Kreuzkirche gleicht dem der Eissporthalle Bad Reichenhall – und die stürzte 2006 ein, 15 Menschen kamen dabei ums Leben. „Das Dach der Kirche hätte niemals so gebaut werden dürfen“, sagt Dekan Wessel. Doch zur Verantwortung ziehen kann die Gemeinde niemanden mehr, alle damaligen Protagonisten sind bereits tot. Derzeit stützt ein Lastturm das Dach ab, Gottesdienste werden nach dem alarmierenden Resultat der Statikprüfung schon längst nicht mehr in der Kreuzkirche gefeiert; die Gläubigen versammeln sich im Gemeindesaal. Dass nun wohl bald der Beschluss fällt, die Kirche ganz aufzugeben, falle niemandem leicht, betont Nürnbergs Stadtdekan Michael Bammessel. „Das ist die erste Kirche, die wir nach dem Zweiten Weltkrieg abreißen müssen. Das ist ein Sonderfall, kein Auftakt für ein Kirchenabrissprogramm.“ Damit wollen Bammessel und Wessel die Kritiker beruhigen, die die Kirchenmänner wegen der Abrisspläne attackieren.

Der Umbau zur Open-Air-Kirche würde eine Million Euro kosten

Ein Argument der Kritiker lautet, dass die Kirche ja auch für Kindergärten und Horte Geld hat – aber offensichtlich nicht für ihre Gotteshäuser. Kindergartenfinanzierung erfolge aus einem ganz anderen Topf, sagt Bammessel: „Es ist unangebracht, wenn man das miteinander vergleicht.“ Bayernweit gehören der Kirche zahlreiche Immobilien. Wenn die Mitgliederzahlen sinken und immer weniger Menschen sich am Gemeindeleben beteiligen, wird der Unterhalt immer schwieriger. Das Dekanat Nürnberg etwa bräuchte laut Bammessel jährlich allein für den Unterhalt seiner 284 Gebäude 3,3 Millionen Euro. Nur ein Drittel davon kann von der Landeskirche kommen, den Rest muss der jeweilige Nutzer selbst aufbringen. Doch viele Gemeinden könnten das nicht stemmen, sagt Bammessel. So sind auch bislang alle Rettungspläne für die Kreuzkirche am Geld gescheitert.

Eine Open-Air-Kirche war so eine Idee – das marode Dach hätte man herunterreißen können, um dann von den Kirchenbänken aus direkt in die Wolken oder in den Sternenhimmel schauen zu können. Doch selbst dieser Umbau hätte über eine Million Euro verschlungen. Eine Komplettsanierung der Kreuzkirche würde mindestens zwei Millionen Euro kosten – denn nicht nur das Dach ist kaputt, auch der freistehende Glockenturm und viele Betonteile sind schadhaft. „Niemand kann zwei Millionen Euro investieren“, räumt Bammessel ein. So wird der Beschluss über den Abriss wohl bald fallen. Auch wenn die Kreuzkirche abgerissen wird, steht die Gemeinde St. Leonhard nicht ohne Kirche da – denn es gehören noch zwei weitere Gotteshäuser dazu. Zudem sei die Gemeinde längst nicht mehr so groß wie früher einmal, sagt Wessel. Sie schrumpfte von 25.000 auf jetzt etwa 7300 Mitglieder. „Der Bedarf ist auch nicht mehr da.“

 

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.