"Diese Rechtspraxis ist skandalös": Wird Containern bald straffrei?
Olching/München - Rund zwölf Millionen Tonnen Lebensmittel landen in Deutschland jedes Jahr in der Tonne. Wer jedoch in Supermarkt-Müllcontainern nach weggeworfener Ware wühlt, riskiert eine Verurteilung wegen Diebstahls und Hausfriedensbruchs. So wie die Olchinger Studentinnen Franzi und Caro.
Sie hatten mit einer Verfassungsklage versucht, dass diese Form der Lebensmittelrettung, wie Befürworter das Mitnehmen von noch essbaren Waren aus dem Müll etwa von Supermärkten nennen, legal wird. Ohne Erfolg.
Nun aber schöpfen die jungen Frauen neue Hoffnung. Denn auch die Linksfraktion im Bundestag meint: "Diese Rechtspraxis ist skandalös." Sie will das Containern erlauben und fordert einen Gesetzentwurf der Bundesregierung.

Linke wollen Containern entkriminalisieren
Denn schließlich fehle Betroffenen einfach oft das Geld für Nahrungsmittel oder sie wollten nachhaltig leben, meinen die Linken. "Diesen Motiven mit dem 'scharfen Schwert des Strafrechts'' als letztes Mittel staatlichen Zwanges zu begegnen, ist ungerecht und unnötig." Am heutigen Donnerstag soll sich der Rechtsausschuss im Bundestag erstmals ausführlich mit der Forderung befassen.
"Wir wissen, was es bedeutet, sich vor Gericht für das Containern verantworten zu müssen. Auch haben wir gesehen, wie viele Menschen sich über die Kriminalisierung empört haben. Durch eine gesetzliche Entkriminalisierung kann diese Diskrepanz überwunden werden," sagen Caro und Franzi. "Genießbare Lebensmittel dürfen noch in rauen Mengen weggeworfen werden. Die Weiterverwendung ist jedoch strafbar. Das können wir nicht akzeptieren. Solange Nahrungsmittel in der Mülltonne landen, darf Containern nicht bestraft werden."
Container-Verfahren werden regelmäßig eingestellt
Der Anwalt der beiden Frauen, Max Malkus, ist als Sachverständiger am Donnerstag im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz dabei, teilen die "Olchis" mit. "Meiner Erfahrung nach werden die meisten Fälle des Containerns nicht strafrechtlich verfolgt", so Malkus. Falls es zum Verfahren komme, bleibe dies in der Regel ohne Urteil. Der Aufwand sei völlig unverhältnismäßig. Andere Länder hätten längst die Vernichtung genießbarer Lebensmittel verboten oder schrieben die Abgabe an wohltätige Organisationen vor.
Doch die Stellungnahmen anderer Sachverständiger zeigen, wie verzwickt die Situation juristisch ist. "Dem bisherigen Eigentümer muss es egal sein, was mit der Sache passiert", schreibt die Oberstaatsanwältin Nicole Luther aus Tübingen. "Dies dürfte bei Lebensmitteln, die ein Supermarktbetreiber entsorgen will, gerade nicht der Fall sein." Wenn die einfach jeder mitnehmen könne, drohten möglicherweise Haftungsansprüche, falls jemand gesundheitlich bedenkliche Lebensmittel esse.
Darum lässt sich Containern nicht einfach entkriminalisieren
"Rechtlich und praktisch nicht sinnvoll" seien die Pläne, meint Thomas Fischer, früherer Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof. Eigentum sei laut Bürgerlichem Gesetzbuch das Recht, mit einer Sache "nach Belieben zu verfahren", auch wenn das anderen "falsch, unmoralisch und unvernünftig" erscheine. Annika Dießner von der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin hält die aktuellen strafrechtlichen Regelungen hingegen für überzogen und eine Entkriminalisierung für sinnvoll.
Und was meinen die Tafeln, die beide Seiten sinnvoll finden im Kampf gegen Lebensmittelverschwendung? Man sei "im Grunde nach der Auffassung, niemand sollte rechtlich dafür verfolgt werden, genießbare Lebensmittel zu retten, während deutschlandweit bis zu zwölf Millionen Tonnen jährlich verschwendet werden", schreibt die Geschäftsführerin der Tafel Deutschland, Evelin Schulz.
Die Debatte lenkt aus ihrer Sicht ab von der eigentlichen Frage: "Warum werfen Märkte Lebensmittel weg, anstatt sie zu spenden oder bereits vorher den Überschuss zu vermeiden? Ist es profitabler, wegzuschmeißen anstatt zu spenden?" Nötig seien vielmehr Aufklärung, Wertschätzung und staatliche Unterstützung für die Tafeln.
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