Die Versicherung zahlt keinen Cent

Das Unglück von Stein an der Traun: Das Haus der Familie B. hatte keinen Schutz gegen „Elementarschäden“
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Vater und Tochter starben in den Trümmern des eingestürzten Hauses
dpaS Vater und Tochter starben in den Trümmern des eingestürzten Hauses

Das Unglück von Stein an der Traun: Das Haus der Familie B. hatte keinen Schutz gegen „Elementarschäden“

STEIN AN DER TRAUN/MÜNCHEN Sie stehen buchstäblich vor dem Nichts. Uschi B. und ihr Sohn Leon (16) haben Tochter und Schwester verloren sowie den Ehemann und Vater. Darüber hinaus wurde alles, was die Familie jemals besessen hat, bei dem Felssturz am Montagabend in Stein an der Traun von dem busgroßen Felsen zermalmt. Nach AZ-Informationen war das Haus der Familie zwar mit einer Gebäudeversicherung abgesichert, aber gegen Erdrutsch, wie in diesem Fall, hatte es keinen Schutz. Damit werden die Überlebenden des Unglücks von der Versicherung keinen Cent für ihr zerstörtes Haus bekommen.

Niemand ahnte die Gefahr

Eine Gebäudeversicherung deckt die Gefahren Feuer, Sturm, Leitungswasserschäden und Hagel ab. Für weitere Naturgefahren, die im Zusammenhang mit dem Klimawandel stehen, gibt es eine so genannte Elementarschadenversicherung. Sie greift bei Lawinenabgängen, Starkregen oder Überschwemmungen. Außerdem bei „Erdfall“ wie zum Beispiel 1994, als sich in Trudering die Erde auftat und ein Bus in einen Krater stürzte. Die Versicherung kommt auch für Erdrutsch auf, darunter fiele der Felsabbruch von Stein an der Traun – wenn das Haus dagegen versichert gewesen wäre.

Uschi B. und ihr Mann Peter hatten das 100 Jahre alte Haus an der Nagelfluh vor 15 Jahren gekauft. Zuvor hatte eine Einheimische, die 99 Jahre alt wurde, jahrzehntelang darin gelebt. Peter B. richtete das alte Haus mit großer Liebe und handwerklichem Geschick her. Der 45-Jährige kannte sich aus, er war Schreiner. 2001 gab er den Beruf auf und sich zum Heilerziehungspfleger ausbilden.

Das Unglückshaus stand in der "risikoärmsten" Zone

Wie gefährlich die Familie in dem Haus lebte, ahnte niemand. Das Landesamt für Umweltschutz, das den Fels immer wieder im Auftrag der benachbarten Brauerei untersuchte, sah keinen Grund einzugreifen. Und auch die Versicherungskammer Bayern, die fast 85 Prozent aller bayerischen Eigenheime versichert, sah den Standort nicht als besonders risikogefährdet an. Der Versicherer teilt die Standorte in vier verschiedene Risikozonen ein. „Das Unglückshaus liegt in der risikoärmsten“, sagt Thomas Bundschuh von der Versicherungskammer.

Die Familie glaubte sich - bestätigt durch verschiedene Experten - wohl auf der sicheren Seite. Dass immer wieder Felsbrocken auf das Dach des Hauses knallten, beunruhigte den Familienvater Peter B. offenbar nicht sonderlich. Zu einem Freund sagte er mal: „Das haben wir schon seit Jahren hier. Das muss man halt wegräumen.“

Alarmzeichen: Steinschlag und schief wachsende Bäume

Der Steinschlag kann ein Alarmsignal gewesen sein. Professor Conrad Boley vom Institut für Bodenmechanik der Bundeswehr-Uni in Neubiberg ist Experte für Felsstürze und Hangrutschungen: „Kleinere Brocken, die abbrechen oder Wasser, das austritt, sind Zeichen für Instabilität des Gesteins. Genauso Bäume, die schief oder säbelförmig auf dem Fels wachsen.“ Er betont gleichzeitig: „Mit hundertprozentiger Sicherheit kann man nie sagen, ob ein Fels abbricht oder nicht. So minutiös können wir die Natur nicht überwachen.“

Felsstürze, Überschwemmungen, Lawinenabgänge – die Bayerische Versicherungskammer geht davon aus, dass die Naturgefahren weiter zunehmen. „Der Trend geht nach oben“, sagt Thomas Bundschuh.

Eine Zusatzversicherung hätte ab 7 Euro monatlich gekostet

Hätten Peter und Uschi B. die Gefahr geahnt, hätten sie wohl zumindest ihr Haus speziell versichert. Ein „Rundum-Paket“ gibt’s bei von der Versicherungskammer Bayern ab 300 Euro jährlich - die Elementarschadenversicherung macht dabei nur 7 Euro monatlich aus.

Die Nachbarn von Familie B. durften gestern wieder in ihre Häuser - nach der Katastrophe waren sie zunächst evakuiert worden. Die Geologen sehen derzeit keine Gefahr. Rita Kimmeringer, die hörte, wie das Nachbarhaus zermalmt wurde, will neben der Unglücksstelle wohnen bleiben. „Wir waren immer hier, wir haben so viel ins Haus gesteckt. Wo sollen wir denn hin?“

Nina Job

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