Die Politik ist unberechenbar

Energieexperte und Physiker Sebastian Demmel über Probleme und Lösungen in der Energiewende
von  Susanne Stephan
Physiker und Energie-Experte: Sebastian Demmel
Physiker und Energie-Experte: Sebastian Demmel © privat

 

AZ: Wildpoldsried ist ein Dorf, das viel mehr Energie produziert, als es braucht. Warum geht es nicht überall so?

SEBASTIAN DEMMEL: Das Problem ist nicht so sehr die Stromerzeugung, sondern die Verteilung. Jeder Stromproduzent braucht jemanden, der ihm den Strom zur selben Zeit abnimmt. Der Verbrauch lässt sich aber nur eingeschränkt steuern. Selbst wenn ich tagsüber mit Sonnenenergie meine Bürolampe betreibe, wird's abends nicht heller. Auch in der Industrie sind die Möglichkeiten, den Stromverbrauch zeitlich zu steuern begrenzt. Ich glaube nicht, dass noch mehr Arbeiter von BMW an einem schönen Sonntag ans Band wollen, weil grad dann soviel Strom von den Photovoltaik-Anlagen im Voralpenland kommt. Also dezentrale Erzeugung und am besten regenerativ finde ich sehr wichtig, sie ist aber nur ein Teil der Lösung.

Was für Möglichkeiten gibt es, den Strom zu speichern?

Pumpspeicherkraftwerke, in denen Wasser von einem tiefen Becken in ein hohes befördert wird und von dort bei Bedarf durch Turbinen wieder nach unten fließt, haben einen sehr hohen Wirkungsgrad aber nur wenig Speichervermögen. Eine andere Variante heißt „Power to Gas" - dabei wird aus Wasser mittels Elektrolyse Methan gewonnen und dieses in den bestehenden Erdgas-Kavernen oder Leitungen gespeichert, um es bei Bedarf zum Heizen oder zur Stromerzeugung zu verwenden. Dabei geht, ja nach Sichtweise, aber über die Hälfte der Energie verloren. Das Speichervolumen ist aber sehr groß. Für private Haushalte sind große Batterien im Gespräch, die derzeit allerdings relativ teuer sind.

Angenommen, das Problem der Speicherung könnte gelöst werden - wären wir dann unsere Sorgen los?

Es fehlen immer noch Leitungen für die Ballungsgebiete, wie viele, muss man sorgfältig prüfen. Wir müssen Strom aus Windkraft vom Norden in den Süden und Strom aus Sonnenenergie von Bayern und Baden-Württemberg in den Norden bringen. Früher waren die Genehmigungsverfahren eher schneller, mit Vor- und Nachteilen, aber in der Energiepolitik nur lokale Ansichten zu berücksichtigen, greift leider zu kurz. Heute ist das aber oft so. Die Politik im Kleinen wie im Großen ist zunehmend unberechenbar, auch Ministerpräsident Seehofer positioniert sich mal so, mal so. Für Leitungsbetreiber und Stromerzeuger und das gilt auch für die ganz Kleinen, die ihre Netze und Anlagen solide bauen und entsprechend Geld dafür brauchen, ist das kein Zustand. Was fehlt, ist eine Vorstellung davon, wie die Versorgung in Deutschland in zehn Jahren aussehen soll und der konkrete Weg dorthin. Man kann nicht alle vier Jahre umdenken. Technisch geht sehr vieles, aber das macht kein Investor mit, oder es wird sehr teuer.

Das Geld scheint für die Netzbetreiber sowieso ein schwieriges Thema zu sein, obwohl ihnen ja bis zu neun Prozent Rendite aufs eingesetzte Kapital garantiert werden. Warum fehlen trotzdem die Mittel?

Die großen Energieunternehmen haben ihre Hochspannungsnetze verkauft. Jetzt sind die Netze im Besitz von kleineren Unternehmen. Sie können ihren laufenden Betrieb gut finanzieren, doch die Milliardeninvestitionen, die für neue Netze nötig sind und die sich erst in Jahrzehnten auszahlen würden, können diese kleinen Unternehmen nicht so leicht stemmen. Nötig wären kapitalstarke Investoren, aber die halten sich zurück, solange sie fürchten müssen, dass die Rahmenbedingungen nach jeder Wahl neu definiert werden.

 

Dr. Sebastian Demmel, 51 Der Münchner Physiker berät Unternehmen wie den Flughafen und die Telekom in Fragen des Energie-Managements.

 

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